Kommentar: Die Gedenkfeiern zur NS-Pogromnacht – Ein Musterbeispiel staatlicher Geschichtsaufarbeitung

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom Dezember 1988 –

Allerorts und auf Anweisung der Staats- und Parteiführung der DDR wird der Opfer der Pogromnacht vorn 9./10. November 1933 gegenwärtig gedacht. Es finden zahlreiche Kolloquien, Tagungen und sogar eine Volkskammersitzung zu diesem Thema statt. Dazu wäre an sich nichts einzuwenden, würde nicht das Kampagnenhafte und Unwahrhaftige dieser Aktivitäten offenbar. Es braucht in diesem Zusammenhang sicher nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß die Verfolgung, Vertreibung und physische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, gleich welcher sozialen Zugehörigkeit selbstverständlich zu verurteilen ist und eben aufarbeitungswürdig erscheint. Gerade weil die Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung als Massenaktion und in aller Öffentlichkeit geschah, wäre eine tatsächliche Auseinandersetzung einschließlich der Frage nach den Ursachen dieser Ereignisse von dringender Notwendigkeit. Aber genau- dies geschieht bis heute nicht, da damit aktuelle Fragestellungen verbunden sind, die als bedrohlich von den Herrschenden empfunden werden.

Obwohl es nicht einfach ist, angesichts der damaligen faschistischen Massenmorde eine nüchterne Einschätzung zu geben, will ich dennoch versuchen, die gegenwärtige offizielle „Vergangenheitsbewältigung“ zu analysieren. Wie sieht diese also aus?‘

1. Das Gedenken an die jüdischen Opfer des Faschismus wird offiziell verbunden mit der Würdigung jüdischer Geisteswissenschaftler. Erinnert wird an hervorragende wissenschaftliche Erkenntnisse und Potenzen, die durch die Judenverfolgung der Menschheit verloren gegangen sind. Ohne Zweifel. trifft dies auf verschiedene Personen zu. Dennoch wäre eine differenzierte Bewertung von einer Parteiführung, die sich auf den Marxismus beruft, zu erwarten gewesen. Plötzlich erscheint allein die Zugehörigkeit zur jüdischen Bevölkerungsgruppe als Ausweis für wissenschaftliche Verdienste und demzufolge verehrungswürdig. Als völlig belanglos erscheint hingegen die Tatsache, daß eine große Anzahl von Wissenschaftlern und angesehenen Persönlichkeiten sich in den Dienst der herrschenden Klassen des Kaiserreiches und/oder der Weimarer Republik stellten. Viele von ihnen waren konservativer, deutschnationaler Gesinnung, wie z.B. der Altertumswissenschaftler Eduard Norden. Die Feststellung, daß diese Gelehrten auf der anderen Seite der Barrikade, z.B. im November 1918 standen, und auch jüdische Unternehmer gemeinsam mit ihren “arischen'“ Kollegen sehr wohl ihre Interessen gegenüber der Arbeiterschaft durchzusetzen verstanden, berührt überhaupt nicht die Frage der Verurteilung des faschistischen Massenmordes, aber sie wäre von dieser Parteiführung, gemessen an ihrem Anspruch, zu messen gewesen. Wo bleiben in den offiziellen Gedenkreden die ca. 21.000 Arbeiter, auf deren Interessenvertretung sich die Staatsrührung doch sonst beruft? Wo wird die Tatsache erwähnt, daß diese jüdischen Arbeiter auch von Unternehmern gleichen Glaubens ausgebeutet‘ und deren Existenzgrundlagen ständig gefährdet waren? Wie kann denn sonst die häufig gestellte „Frage beantwortet werden, warum sich kein jüdischer Widerstand größeren Ausmaßes organisiert hätte, ‚wenn nicht durch die Feststellung, daß die jüdische Bevölkerung durch genau dieselben Interessenkonflikte gekennzeichnet war, wie die gesamte Gesellschaft. Ein Bankier setzt sich nicht an den Tisch, eines Arbeiters oder unterprivilegierten verarmten jüdischen Kleinhändler.

Die Nationalsozialisten machten die jüdische Bevölkerung ihrer Abstammung nach, unabhängig von ihrer sozialen Lage und ihrer Gesinnung, gleich, und diese Schablone erfährt gegenwärtig ihren aktuellen Aufguss.

2. Die Untersuchung des staatlichen Terrors, dem 6 Millionen Juden zum Opfer fielen, muß sich mit der Frage nach den Ursachen staatlicher Gewalt überhaupt verbinden. Die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten diente zum einen der Finanzierung der Rüstungsproduktion (Einziehung jüdischen Vermögens und „Sühnezahlung“ von 1 Mrd. Reichsmark), und andererseits sollten soziale Konflikte und Unrechtserfahrungen in den Judenhass kanalisiert werden, wie insgesamt Anderssein und Andersdenken zur Ausgrenzung – bis zur physischen – führte. Dies war ein Schritt zur psychischen Mobilmachung der deutschen Bevölkerung für den Krieg und die Festigung des Herrschaftssystems.

Nach dem Zusammenbruch des Faschismus wäre eine .Auseinandersetzung als Aufbauleistung darüber notwendig gewesen, wie zukünftig verhindert werden kann, daß sich staatliche Gewalt wiederum etabliert und sich dem Zugriff der Bevölkerung entzieht. Es ist letztlich die Frage nach der Kontrolle des Staates. Daß eine solche Diskussion auf breitester demokratischer Grundlage keineswegs den nunmehr zur Macht Gelangenden genehm sein konnte, denjenigen nämlich, deren wirtschaftliche und politische Macht per staatliche Gewalt und ohne demokratischen Konsens abgesichert war, ist heute offensichtlich. Demokratische Bestrebungen in dieser Richtung wurden von Anbeginn an unterbunden. Immerhin ließ sich eine eingeschüchterte und demoralisierte Bevölkerung viel bequemer in das neue System integrieren als eine selbstbewusste, ihre Interessen anmeldende und fordernde.

Eine Staatsmacht, die die Verfolgung von Andersdenkenden seit Jahrzehnten praktiziert (erinnert sei nur allein in diesem Jahr an die Ereignisse des 17. Januar, die Zensurma߬nahmen gegenüber Kirchenzeitungen oder die Relegierungen von Schülern der Carl-von-Ossietzky-Schule…), kann sich nicht ernsthaft der Frage von Gewaltherrschaft und den daraus zu ziehenden Konsequenzen (im Sinne von Aufarbeitung nämlich) stellen. Deshalb bleibt das demonstrativ zur Schau gestellte Mitgefühl der Partei- und Staatsführung mit den Verfolgten des Naziregimes (auch wenn sie. einmal dazu gehörten, so haben sie sich doch von den tatsächlich Werktätigen meilenweit entfernt) unwahrhaftig, weil nicht an die Substanz gehend und jede aktuelle Fragestellung vermeidend. Diese offiziellen Bekundungen sollen auf internationalem Parkett der eigenen Profilierung als Demokraten dienen und politische und wirtschaftliche Einflußsphären gewinnen helfen. Die von uns hofierten jüdischen Organisationen und ihre Vertreter haben ein erhebliches ökonomisches Potential hinter sich und spielen z.B. auf dem Kredit¬markt eine wichtige Rolle.

Die Opfer des Naziterrors sollen dazu herhalten, von den Problemen – auch international – abzulenken. Daß sich dafür sogar die Kirchenleitung, vertreten durch Konsistorialpräsident Stolpe, hergibt, der anlässlich des Fürbittgottesdienstes am 4.11.88 in der Gethsemanekirche für die gemaßregelten und schließlich zum Teil relegierten Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule dazu ermahnte, sich während der Friedensdekade doch der Opfer des Faschismus zu erinnern und nicht die aktuellen Ereignisse in den Vordergrund treten zu lassen, muß sehr erstaunen. Wer zwischen diesen Ereignissen keine tieferliegende Beziehung sehen will (ohne damit diese Gesellschaft dem Faschismus gleichzusetzen, das wäre angesichts des damaligen Leidens und Sterbens vermessen und ist auch von den sozialen Grundlagen her falsch), keine ähnlich wirkenden Mechanismen, der kann eine tatsächliche Aufarbeitung nur oberflächlich nachvollziehen. In diesen Punkt hat scheinbar die Kirche Nachholbedarf.

3. Die Gedenkveranstaltungen der Staatsführung sollen international demonstrieren, daß in der DDR eine Verfolgung aus rassischen oder Glaubensgründen nicht mehr möglich sei, da Verfassungsgrundsatz. Unerwähnt bleibt, daß Glaubensgemeinschaften auch den rechten Zuschnitt haben müssen, uns nicht diskriminiert zu werden. Wie sich diesen Zuschnitt die Staatsführung vorstellt, wird in der groß aufgemachten Erklärung der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ in der DDR, landesweit publiziert, deutlich. Zunächst wird die Übereinstimmung ihrer Ziele mit denen der staatlichen Politik festgestellt. Weiter heißt es: „Heilige der Letzten Tage sind niemals ‚Aussteiger‘, sondern positiv und optimistisch im Denken und Handeln… Die Kirche steht grundsätzlich niemandem zur Verfügung, der bei ihr eine Plattform oder ein Dach für Opposition sucht, oder um `Sonder- und Gruppenziele‘ zu verfolgen, die mit den Aufgaben der Kirchen und deren erklärten Zielen überhaupt nicht in Einklang zu bringen sind… Die Kirche ist keine politische oder gesellschaftliche Organisation.“ (ND, 29./30.10.88) Daher unterstützen sie jede staatliche Obrigkeit, die ‚ihnen das Recht gewährt, ihren Glauben auszuüben. Eine solch konforme Haltung wird auch prompt vom Staat belohnt. Wie sie selbst schreiben, sind viele neue Gemeindehäuser in letzter Zeit entstanden und sollen weitere folgen (ebenda). Dies sind deutliche Worte an diejenigen Gemeinden, die sich nicht dem Staate untertan machen, sondern sich als kritische Partner verstehen. Für Kirchenmitglieder, die auf eigener Meinung bestehen, die sich gegen Zensurmaßnahmen gegenüber Kirchenblättern und andere Behinderungen wehren, die den Wehrdienst nicht mit der Waffe in der Hand versehen wollen u.a.m., gilt der Verfassungsgrundsatz nicht. Sie sollen aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden, und gegen sie richtet sich staatliche Gewalt. So sieht die Vergangenheitsbewältigung und -aufarbeitung seitens der Staatsführung aus.

Setzen wir dagegen tatsächliche Solidarität mit den Gemaßregelten und Verfolgten staatlicher Gewalt vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Zeiten. Leisten wir aktive Erinnerungsarbeit.

n.n.

Kommentar: Die Gedenkfeiern zur NS-Pogromnacht – Ein Musterbeispiel staatlicher Geschichtsaufarbeitung

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom Dezember 1988 –

Allerorts und auf Anweisung der Staats- und Parteiführung der DDR wird der Opfer der Pogromnacht vorn 9./10. November 1933 gegenwärtig gedacht. Es finden zahlreiche Kolloquien, Tagungen und sogar eine Volkskammersitzung zu diesem Thema statt. Dazu wäre an sich nichts einzuwenden, würde nicht das Kampagnenhafte und Unwahrhaftige dieser Aktivitäten offenbar. Es braucht in diesem Zusammenhang sicher nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß die Verfolgung, Vertreibung und physische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, gleich welcher sozialen Zugehörigkeit selbstverständlich zu verurteilen ist und eben aufarbeitungswürdig erscheint. Gerade weil die Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung als Massenaktion und in aller Öffentlichkeit geschah, wäre eine tatsächliche Auseinandersetzung einschließlich der Frage nach den Ursachen dieser Ereignisse von dringender Notwendigkeit. Aber genau- dies geschieht bis heute nicht, da damit aktuelle Fragestellungen verbunden sind, die als bedrohlich von den Herrschenden empfunden werden.

Obwohl es nicht einfach ist, angesichts der damaligen faschistischen Massenmorde eine nüchterne Einschätzung zu geben, will ich dennoch versuchen, die gegenwärtige offizielle „Vergangenheitsbewältigung“ zu analysieren. Wie sieht diese also aus?‘

1. Das Gedenken an die jüdischen Opfer des Faschismus wird offiziell verbunden mit der Würdigung jüdischer Geisteswissenschaftler. Erinnert wird an hervorragende
wissenschaftliche Erkenntnisse und Potenzen, die durch die Judenverfolgung der Menschheit verloren gegangen sind. Ohne Zweifel. trifft dies auf verschiedene Personen zu. Dennoch wäre eine differenzierte Bewertung von einer Parteiführung, die sich auf den Marxismus beruft, zu erwarten gewesen. Plötzlich erscheint allein die Zugehörigkeit zur jüdischen Bevölkerungsgruppe als Ausweis für wissenschaftliche Verdienste und demzufolge verehrungswürdig. Als völlig belanglos erscheint hingegen die Tatsache, daß eine große Anzahl von Wissenschaftlern und angesehenen Persönlichkeiten sich in den Dienst der herrschenden Klassen des Kaiserreiches und/oder der Weimarer Republik stellten. Viele von ihnen waren konservativer, deutschnationaler Gesinnung, wie z.B. der Altertumswissenschaftler Eduard Norden. Die Feststellung, daß diese Gelehrten auf der anderen Seite der Barrikade, z.B. im November 1918 standen, und auch jüdische Unternehmer gemeinsam mit ihren “arischen'“ Kollegen sehr wohl ihre Interessen gegenüber der Arbeiterschaft durchzusetzen verstanden, berührt überhaupt nicht die Frage der Verurteilung des faschistischen Massenmordes, aber sie wäre von dieser Parteiführung, gemessen an ihrem Anspruch, zu messen gewesen. Wo bleiben in den offiziellen Gedenkreden die ca. 21.000 Arbeiter, auf deren Interessenvertretung sich die Staatsrührung doch sonst beruft? Wo wird die Tatsache erwähnt, daß diese jüdischen Arbeiter auch von Unternehmern gleichen Glaubens ausgebeutet‘ und deren Existenzgrundlagen ständig gefährdet waren? Wie kann denn sonst die häufig gestellte „Frage beantwortet werden, warum sich kein jüdischer Widerstand größeren Ausmaßes organisiert hätte, ‚wenn nicht durch die Feststellung, daß die jüdische Bevölkerung durch genau dieselben Interessenkonflikte gekennzeichnet war, wie die gesamte Gesellschaft. Ein Bankier setzt sich nicht an den Tisch, eines Arbeiters oder unterprivilegierten verarmten jüdischen Kleinhändler.

Die Nationalsozialisten machten die jüdische Bevölkerung ihrer Abstammung nach, unabhängig von ihrer sozialen Lage und ihrer Gesinnung, gleich, und diese Schablone erfährt gegenwärtig ihren aktuellen Aufguss.

2. Die Untersuchung des staatlichen Terrors, dem 6 Millionen Juden zum Opfer fielen, muß sich mit der Frage nach den Ursachen staatlicher Gewalt überhaupt verbinden. Die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten diente zum einen der Finanzierung der Rüstungsproduktion (Einziehung jüdischen Vermögens und „Sühnezahlung“ von 1 Mrd. Reichsmark), und andererseits sollten soziale Konflikte und Unrechtserfahrungen in den Judenhass kanalisiert werden, wie insgesamt Anderssein und Andersdenken zur Ausgrenzung – bis zur physischen – führte. Dies war ein Schritt zur psychischen Mobilmachung der deutschen Bevölkerung für den Krieg und die Festigung des Herrschaftssystems.

Nach dem Zusammenbruch des Faschismus wäre eine .Auseinandersetzung als Aufbauleistung darüber notwendig gewesen, wie zukünftig verhindert werden kann, daß sich staatliche Gewalt wiederum etabliert und sich dem Zugriff der Bevölkerung entzieht. Es ist letztlich die Frage nach der Kontrolle des Staates. Daß eine solche Diskussion auf breitester demokratischer Grundlage keineswegs den nunmehr zur Macht Gelangenden genehm sein konnte, denjenigen nämlich, deren wirtschaftliche und politische Macht per staatliche Gewalt und ohne demokratischen Konsens abgesichert war, ist heute offensichtlich. Demokratische Bestrebungen in dieser Richtung wurden von Anbeginn an unterbunden. Immerhin ließ sich eine eingeschüchterte und demoralisierte Bevölkerung viel bequemer in das neue System integrieren als eine selbstbewusste, ihre Interessen anmeldende und fordernde.

Eine Staatsmacht, die die Verfolgung von Andersdenkenden seit Jahrzehnten praktiziert (erinnert sei nur allein in diesem Jahr an die Ereignisse des 17. Januar, die Zensurma߬nahmen gegenüber Kirchenzeitungen oder die Relegierungen von Schülern der Carl-von-Ossietzky-Schule…), kann sich nicht ernsthaft der Frage von Gewaltherrschaft und den daraus zu ziehenden Konsequenzen (im Sinne von Aufarbeitung nämlich) stellen. Deshalb bleibt das demonstrativ zur Schau gestellte Mitgefühl der Partei- und Staatsführung mit den Verfolgten des Naziregimes (auch wenn sie. einmal dazu gehörten, so haben sie sich doch von den tatsächlich Werktätigen meilenweit entfernt) unwahrhaftig, weil nicht an die Substanz gehend und jede aktuelle Fragestellung vermeidend. Diese offiziellen Bekundungen sollen auf internationalem Parkett der eigenen Profilierung als Demokraten dienen und politische und wirtschaftliche Einflußsphären gewinnen helfen. Die von uns hofierten jüdischen Organisationen und ihre Vertreter haben ein erhebliches ökonomisches Potential hinter sich und spielen z.B. auf dem Kredit¬markt eine wichtige Rolle.

Die Opfer des Naziterrors sollen dazu herhalten, von den Problemen – auch international – abzulenken. Daß sich dafür sogar die Kirchenleitung, vertreten durch Konsistorialpräsident Stolpe, hergibt, der anlässlich des Fürbittgottesdienstes am 4.11.88 in der Gethsemanekirche für die gemaßregelten und schließlich zum Teil relegierten Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule dazu ermahnte, sich während der Friedensdekade doch der Opfer des Faschismus zu erinnern und nicht die aktuellen Ereignisse in den Vordergrund treten zu lassen, muß sehr erstaunen. Wer zwischen diesen Ereignissen keine tieferliegende Beziehung sehen will (ohne damit diese Gesellschaft dem Faschismus gleichzusetzen, das wäre angesichts des damaligen Leidens und Sterbens vermessen und ist auch von den sozialen Grundlagen her falsch), keine ähnlich wirkenden Mechanismen, der kann eine tatsächliche Aufarbeitung nur oberflächlich nachvollziehen. In diesen Punkt hat scheinbar die Kirche Nachholbedarf.

3. Die Gedenkveranstaltungen der Staatsführung sollen international demonstrieren, daß in der DDR eine Verfolgung aus rassischen oder Glaubensgründen nicht mehr möglich sei, da Verfassungsgrundsatz. Unerwähnt bleibt, daß Glaubensgemeinschaften auch den rechten Zuschnitt haben müssen, uns nicht diskriminiert zu werden. Wie sich diesen Zuschnitt die Staatsführung vorstellt, wird in der groß aufgemachten Erklärung der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ in der DDR, landesweit publiziert, deutlich. Zunächst wird die Übereinstimmung ihrer Ziele mit denen der staatlichen Politik festgestellt. Weiter heißt es: „Heilige der Letzten Tage sind niemals ‚Aussteiger‘, sondern positiv und optimistisch im Denken und Handeln… Die Kirche steht grundsätzlich niemandem zur Verfügung, der bei ihr eine Plattform oder ein Dach für Opposition sucht, oder um `Sonder- und Gruppenziele‘ zu verfolgen, die mit den Aufgaben der Kirchen und deren erklärten Zielen überhaupt nicht in Einklang zu bringen sind… Die Kirche ist keine politische oder gesellschaftliche Organisation.“ (ND, 29./30.10.88) Daher unterstützen sie jede staatliche Obrigkeit, die ‚ihnen das Recht gewährt, ihren Glauben auszuüben. Eine solch konforme Haltung wird auch prompt vom Staat belohnt. Wie sie selbst schreiben, sind viele neue Gemeindehäuser in letzter Zeit entstanden und sollen weitere folgen (ebenda). Dies sind deutliche Worte an diejenigen Gemeinden, die sich nicht dem Staate untertan machen, sondern sich als kritische Partner verstehen. Für Kirchenmitglieder, die auf eigener Meinung bestehen, die sich gegen Zensurmaßnahmen gegenüber Kirchenblättern und andere Behinderungen wehren, die den Wehrdienst nicht mit der Waffe in der Hand versehen wollen u.a.m., gilt der Verfassungsgrundsatz nicht. Sie sollen aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden, und gegen sie richtet sich staatliche Gewalt. So sieht die Vergangenheitsbewältigung und -aufarbeitung seitens der Staatsführung aus.

Setzen wir dagegen tatsächliche Solidarität mit den Gemaßregelten und Verfolgten staatlicher Gewalt vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Zeiten. Leisten wir aktive Erinnerungsarbeit.

n.n.

Behördlicher Antifaschismus

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom Mai 1989 –

Die Antipathie staatlicher Stellen gegen Punks dürfte bekannt sein. Dass deren antinazistische Haltung (zumindest in Einzelfällen, wie der folgenden) ebenfalls reglementiert wird, ist ein recht trauriger Beleg für den – offiziell so oft beteuerten – Antifaschismus unseres Staates. Ein wirklicher, d.h. ein Antifaschismus von Unten, mag er sich auch nur im Tragen von Symbolen äußern, wird bekämpft.

Dazu ein Beispiel: Jörg D., ein Pädagogik-Student, steht am Ostersonntag, der S-Bahn harrend, auf dem Bahnhof Lichtenberg. An seiner (Leder-)Jacke ein Aufnäher: Eine Hakenkreuz zerschmetternde Faust und die Aufschrift „Gegen Nazis“. Eine Gruppe von sechs Skinheads greift ihn an, will den Aufnäher „entfernen“, weil sie „als .Deutsche etwas dagegen hätten“. Jörg flüchtet zum TraPo-Gebäude, zwei Skins bleiben ihm dicht auf den Fersen. Ein TraPo (Transportpolizei – DDR-Bahnpolizei, d. Säzz.) taucht auf, die Ausweise von Verfolgten und Verfolgern werden kontrolliert. Im TraPo-Häuschen erfolgt die „Klärung des Sachverhalts“, die wie folgt aussieht: die Skins werden laufen gelassen, Jörg wird aufgefordert, den Aufnäher abzutrennen. Auf die Frage „Womit?“ antwortet man ihm: „Solche Typen wie Sie haben doch immer ein Messer dabei!“ Er wird auf die TraPo-Wache mitgenommen. Dort wird ihm vorgeworfen, er habe gegen §13 Absatz 2 des VP-Gesetzes sowie gegen die „öffentliche Ordnung und Sicherheit“ verstoßen.

Eine Woche später wird Jörg in einem Gespräch mitgeteilt, der Aufnäher sei eingezogen, da er im nichtsozialistischen Ausland hergestellt wäre. Das Motiv des Aufnähers wäre genauso verboten, wie z.B. Nazismus-verherrlichende Symbole.

(Friedenskreis Weißensee)

Kaum Ausschreitungen zum lOO. Hitler-Geburtstag

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom Mai 1989 –

Entgegen vielfältigen Ankündigungen geschah zum 100. Geburtstag des Braunauer Volksverführers wenig. Groß angekündigte Nazi-Skin-Treffen in Potsdam und Eberswalde fanden nicht statt. Stattdessen gab es gewaltige Polizei- und Stasiaufgebote. In Ermangelung von Neonazis wurden von ihnen Anti- Nazis, die in Potsdam demonstrieren wollten, aus den Zügen weggefangen. Dagegen konnten sie einem Mitglied einer Potsdamer Anti-Nazi-Gruppe keinen Schutz geben. Die Frau wurde auf dem Heimweg von einheimischen Nazi-Skins zusammengeschlagen und musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Schwierigkeiten neuer Art hatte das Dresdner Café der Offenen Arbeit „Pep“ am darauffolgenden Montag. Zu einer Diskussion über Neofaschismus erschienen Nazis-Skins und verhielten sich wie jeder andere Teilnehmer. Wenn sie zu Wort kamen, gaben sie Selbstdarstellungen. Für bedeutungsvoll erklärten sie beispielsweise den Nazi-Ideologen Rosenberg. Seitdem gibt es in der Dresdner Offenen Arbeit Streit. Die einen wollen Neonazis von vornherein von den Veranstaltungen ausschließen. Die anderen sagen, dass die Nazi-Skins auch nur eine neue Jugendmode wie vorzeiten die Punks seien. Man dürfe die Neonazis nicht von vornherein ausschließen.

Dass ein Ende des Kampfes gegen Basisgruppen eine zentral angeordnete Taktik ist, könnte man aus vereinzelten Mitteilungen von Nazi-Skins an Leute aus den Basisgruppen schließen. „Warum sollen wir uns streiten“, hieß es da etwa, „wir haben doch alle etwas gegen die Regierung. Ich sage nur: ‚Getrennt marschieren, vereint schlagen!“

Die Basisgruppen werden überlegen müssen, wie sie sich gegenüber dieser neuartigen Zumutung verhalten. Einigkeit dürfte immerhin darüber bestehen, dass Polizeiterror und Gefängnis kein geeignetes Mittel gegen die Neonazis sind. a.b.

Letzter Stand zum geplanten Antifa-Marsch 11.10.1989

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom 27. September 1989 –

Kommissarische Entscheidung zum geplanten Antifa-Marsch Sachsenhausen – Schwerin vom 11. bis 15. Oktober

Angesichts einer neuen Situation – ausgelöst durch die Absage des Antifa – Marschs durch die FDJ – sehen wir uns gezwungen, diesen Marsch in eigener Organisation durchzuführen.
Wir sehen uns jedoch außerstande, bis zum 11. Oktober die organisatorische Arbeit zu leisten und verschieben darum den Antifa-Marsch vorläufig. Der neue Termin ist von der Vollver¬sammlung am 10. Oktober zu verabreden.
In der derzeitigen Situation wäre die Durchführung des Marsches ohne Beteiligung der FDJ und ausländischer Gruppen ein Polizeiproblem und damit sinnlos.
Sparen wir darum unsere Kraft!
Für den 14. Oktober planen wir einen DDR-weiten Antifa-Tag in Berlin (Ort über Kontakttelefon, Berlin 448 42 35, oder Vollversammlung am 10. 11.).

27.9.1989

Mitglieder der Vollversammlung der Antifa-Gruppe der KvU

Aufruf der ANTIFA – Kirche von Unten

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom 27. September 1989 –

An alle antifaschistisch eingestellten Menschen der DDR

1989, 50 Jahre nach Beginn des 2. Weltkriegs und 44 Jahre nach Zerschlagung der Hitler-Diktatur ist der Faschismus noch immer eine traurige Tatsache.
Im Oktober führte die FDJ einen antifaschistischen Jugendmarsch durch, unter Beteiligung antifaschistischer Kräfte anderer Länder und ausgewählten FDJ-lern aus Potsdam, Neubrandenburg und Berlin. Das Hauptziel war wie immer die BRD. Aber Faschisten bzw. faschistische Tendenzen gibt es auch hier und in: anderen Ländern.
Das Bemühen unserer Gruppe, offiziell über die FDJ eine Beteiligung möglich zu machen, stieß auf Widerstand, Taktiken der Verschleppung und letztlich auf ein eindeutiges NEIN seitens der FDJ.

– Der Marsch beginnt am 11.10. in Sachsenhausen und endet am 15. Oktober in Schwerin.
– Ein wirkliches antifaschistisches Bekenntnis ist nur durch breiteste Beteiligung aller antifa¬schistischen Kräfte möglich.
– Darum rufen wir auf: Beteiligt Euch mit vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten an diesen Marsch, um die notwendige Breite eines antifaschistischen Bündnisses auch.-in diesen Land zu demonstrieren.

OB ALT, OB JUNG, OB FRAU, OB MANN – ANTIFA GEHT ALLE AN!!

Verfolgt aufmerksam die Veröffentlichungen der Tagespresse/ ‚ achtet auf Informationen in Schule und Betrieb. Bringt die Stellzeiten des Marsches in Erfahrung.
Informiert; andere und motiviert sie zur Teilnahme an diesem Marsch.
Nutzt Eure Kontakte mit uns zur Verbreitung des Aufrufs.
Findet Euch mit uns am 11. Oktober in Sachsenhausan zu einem antifaschistischen Bekenntnis ein. Beteiligt Euch am Marsch oder seid am 15.10. in Schwerin, um Euch in den Marsch einzureihen.

FASCHISMUS DARF KEINE CHANCE BEKOMMEN
UND DAZU BRAUCHT ES DICH UND DICH UND DICH
Die ANTIFA-Gruppe der KvU Berlin

Neonazistische und nationalistische Aktivitäten

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom 27. September 1989 –

Internen SED-Informationen zufolge wurden im August in Wolgast 11 Neonazis verhaftet. Sie sind Teil einer Organisation, die den Namen einer SS-Division trug. Die Mitglieder der Gruppe sind zwischen 16 und 38 Jahre alt, darunter angesehene Bürger der Stadt, Lehrer und Beamte. Die neonazistische Gruppe war straff organisiert. Neben Protokollen fanden sich Uniformen und Hieb- und Stichwaffen.

Es gab Schulung und Traditionspflege, letztere in einem Traditionszimmer. Es gab den Versuch einer Kontaktaufnahme zum BRD-Republikaner-Führer Schönhuber einschließlich Treuebekenntnis. Wie es weiter heißt, ist hoch nicht klar, ob der Kopf der neonazistischen Organisation verhaftet werden konnte. Die Untersuchungen dauern an. An eine Information der Öffentlichkeit war nicht gedacht.

Ein Flugblatt einer „Freien Partei der Republik“ in ziemlich ungewöhnlicher Druckqualität (schwarz und rot auf gelbem Papier) tauchte Anfang August in Ostberlin auf und fand eine ungewöhnlich weite Verbreitung. In seinen Forderungen mutet das Flugblatt zunächst liberal an. Es werden freie Wahlen, freie Presse, freie und unabhängige Justiz, freie und offene Grenzen gefordert. Die Freiheit und Unabhängigkeit der baltischen Republiken wird unterstützt. Neben dem Sturz der „kommunistischen Regierung“ und der Begießung aller kommunistischen Denkmäler mit roter Farbe“ wird aber „freie Privatökonomie“ und „Freiheit der und von der Religion“ und „Ein vereinigtes Deutsch¬land mit Berlin als Hauptstadt“ gefordert. Für den 1. und 2. September wird anläßlich des Kriegsbeginns und „einem halben Jahrhundert ohne Freiheit für alle Menschen in Osteuropa“ zu einer „Riesen¬demonstration“ und ab 1. September zum „Totalen Generalstreik bis zum Rücktritt der Regierung“ aufgefordert. Der nationalistische Unterton ist nur sprachlich zu fassen. Manches, etwa die Formel, daß am 1. September 1939 die Unfreiheit für ganz Osteuropa begann, deutet auf eine Rosenbergsche Version der NS-Ideologie. Der Nazi-Ideologie Rosenberg war in einer Diskussion mit Nazi-Skins in Dresden vor einigen Monaten gegenüber Hitler hervorgehoben worden. Rosenberg war ein Gegner des Hitler-Stalin-Pakts und vertrat eine falangistische Ideologie, nämlich das Konzept einer rechten Arbeiterbewegung.

Neueren Angaben zufolge stammt das Flugblatt von einem Einzelnen, der Mitte August beim Flugblattverteilen auf dem Berliner Alexanderplatz festgenarmen wurde. Daß es ein Einzelner war ist aber nach der Druckqualität und der Verbreitung nicht wahrscheinlich.

Auch zur offiziellen Demo mußt du Zeit mitbringen

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom 27. September 1989 –

Zur offiziellen Demonstration zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus, und imperialistischen Krieg am 10.9.1989 auf dem August- Bebel-Platz in Berlin oder

Auch zur offiziellen Demo mußt du Zeit mitbringen

Aus Anlaß desselben entschlossen wir, 6 dynamische junge ijeuce, und, daran aktiv teilzunehmen: Einer hängte sich einen Fotoapparat um, vier bemalten sich Händen und ich befestigte Anstecker an meinem Hand mit Antifa-Losungen.
Auf dem Weg zum August-Bebel-Platz fand ich ein Druschba-Freundschaft-Plakat und trugs ab da mit mir herum. Hinter der Marschall-Brücke war es dann soweit – PA-Kontrolle mit anschließender Diskussion für zwei von uns. Unser Fotograph machte ein Bild davon und ließ sich mehr oder weniger bereitwillig unter Begleitschutz zum nächsten Bahnhof bringen. Lieber ein Bild als kein Bild. Zwei weitere durchquerten den Menschenauflauf der Demo. Ich wandte mich dem Plakat der beiden Erstkon¬trollierten zu, die nach einem Kompromiß mit den Beamten nicht an der Demo teilnehmen durften, sondern am Zeughaus verbleiben mußten. Das verfehlte den Wunsch der älteren Männer ganz und gar den von der Demo Kommenden fielen wir nun erst recht auf. Die Reaktion war im Gros positiv. Es folgte wieder Diskussion und letztendlich, gegen 11 Uhr, „ab um die Ecke“. Dort erwartete uns ein UCW der Bepo. Im Polizeipräsidium Keibelstraße trafen wir uns mit unseren Mitdemonstranten wieder und weitere fünf Dynamische, die während der Demo ein Transparent mit der Aufschrift „Wehret den Anfängen“ zu tragen versuchten. In der Zuführungsstelle saßen und/oder standen wir dann bis etwa 14.30 Uhr. Die Verhöre endeten im Allgemeinen mit Entschuldigungen wie: „Überreizung der Beamten“ oder „Wir schützen Sie nur vor Schlägereien mit rivalisierenden Gruppierungen“(an diesen Tag?!). Unerklärlich bleibt uns, warum wir dann noch weitere 5 Stunden festgehalten wurden.

Eine Notiz zu den Arbeitern aus Vietnam

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom 27. September 1989 –

Im Porzellanwerk Colditz arbeiten sehr viele Vietnamesen, denen es nicht leicht gemacht wird, Deutsch zu lernen, weil Kontakte zu den Deutschen unerwünscht sind und aufgrund dessen nur einige Vietnamesen als Dolmetscher die Vermittlung zwischen den verschiedensprachigen Arbeitern übernehmen müssen. Diese Übersetzer werden allerdings in ihrer Freizeit schärfer überwacht als andere.
Der Druck von Seiten der vietnamesischen Obrigkeit ist noch derselbe wie bisher und führt auch dazu, daß sich viele Gruppen „freiwillig“ verpflichten, ein halbes Jahr oder noch länger, ohne einen einzigen Freien Tag dazwischen, durchzuarbeiten, und das roch im 3-Schichtsystem. r.r.

Zum Problem ausländischer Arbeiter in der DDR

– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom 27. September 1989 –

Im Braunkohlenkombinat Bitterfeld (BBK) arbeiten verhältnismäßig viele Mocambiquaner, im Betriebs¬teil Delitzsch-Südwest (DSW) sind beispielsweise rund 170 im 4-Schichtsystem beschäftigt. Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen bekommen sie keinen Bergbauerschwerniszuschlag und keine Jahresendprämie, obwohl sie dieselbe Arbeit verrichten und keine Gammelpausen einlegen dürfen, wie das bei ihren deutschen Kollegen üblich ist.
Werden darüber Beschwerden laut, bekommen diejenigen, die sich dazu durchringen, außer den Unannehmlichkeiten, die daraus direkt erwachsen, zwar eine Jahresendprämie ausgezahlt, jedoch nicht in der üblichen Höhe, sondern höchstens zwischen 100 und 300 Mark.
Dafür, daß z.B. Mocambiquaner den Arbeitskräftemangel ia Tagebaubetrieb durch ihre Mitarbeit wenigstens zum Teil Ausgleichen, dürfen sie auch gleich geschlossen zur Wahl antreten, und das zweimal, – zuerst im Wohnheim und dann auch noch im Sonderwahllokal. Die Wahlhelfer nutzten jede Gelegenheit, um Ausländer zur Wahl der ihnen sowieso unbekannten Kandidaten zu überreden. Wer sich dagegen offen aussprach, hatte sich vor der eigenen Obrigkeit zu verantworten und richtige Gehirnwäschen als „erzieherische Maßnahmen“ waren auch nicht selten.

Obwohl es für mocambiquanische Staatsbürger keinerlei Reisebeschränkungen gibt, dürfen die hier lebenden Möcambiquaner das Land nicht verlassen, da die Staatsoberhäupter beider Länder vor Jahren schon vereinbarten, daß die Gastarbeiter sie im jeweiligen Partnerland „wie zu Hause fühlen“ sollten. Das heißt für die afrikanischen Gastarbeiter, daß sie die immer rarer werdenden DDR-Bürger ersetzen sollen.