– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom Mai 1989 –
Entgegen vielfältigen Ankündigungen geschah zum 100. Geburtstag des Braunauer Volksverführers wenig. Groß angekündigte Nazi-Skin-Treffen in Potsdam und Eberswalde fanden nicht statt. Stattdessen gab es gewaltige Polizei- und Stasiaufgebote. In Ermangelung von Neonazis wurden von ihnen Anti- Nazis, die in Potsdam demonstrieren wollten, aus den Zügen weggefangen. Dagegen konnten sie einem Mitglied einer Potsdamer Anti-Nazi-Gruppe keinen Schutz geben. Die Frau wurde auf dem Heimweg von einheimischen Nazi-Skins zusammengeschlagen und musste ins Krankenhaus gebracht werden.
Schwierigkeiten neuer Art hatte das Dresdner Café der Offenen Arbeit „Pep“ am darauffolgenden Montag. Zu einer Diskussion über Neofaschismus erschienen Nazis-Skins und verhielten sich wie jeder andere Teilnehmer. Wenn sie zu Wort kamen, gaben sie Selbstdarstellungen. Für bedeutungsvoll erklärten sie beispielsweise den Nazi-Ideologen Rosenberg. Seitdem gibt es in der Dresdner Offenen Arbeit Streit. Die einen wollen Neonazis von vornherein von den Veranstaltungen ausschließen. Die anderen sagen, dass die Nazi-Skins auch nur eine neue Jugendmode wie vorzeiten die Punks seien. Man dürfe die Neonazis nicht von vornherein ausschließen.
Dass ein Ende des Kampfes gegen Basisgruppen eine zentral angeordnete Taktik ist, könnte man aus vereinzelten Mitteilungen von Nazi-Skins an Leute aus den Basisgruppen schließen. „Warum sollen wir uns streiten“, hieß es da etwa, „wir haben doch alle etwas gegen die Regierung. Ich sage nur: ‚Getrennt marschieren, vereint schlagen!“
Die Basisgruppen werden überlegen müssen, wie sie sich gegenüber dieser neuartigen Zumutung verhalten. Einigkeit dürfte immerhin darüber bestehen, dass Polizeiterror und Gefängnis kein geeignetes Mittel gegen die Neonazis sind. a.b.