Guben 1. September [ein Kreutz(iger)Zug?]

BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90

– aus BesetzerInnenZeitung, Nr. 3, vom 5. September 1990 –

aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90

Für den 1.September gab es für Guben an der Neiße (Grenzstadt zu Polen) Fascho-Alarm. Die Gerüchte um Störung eines deutsch-polnischen Volksfestes durch Schlesierverbände, Neonazis mit Kühnen oder ähnliche Unholde blieben Gerüchte – glücklicherweise, denn die Beteiligung Nichtgubener Antifas war nicht eben reichlich. Aus Berlin reisten ca. 2o Leute an, größtenteils aus der Kreutziger Straße. Die Aktion lief von Anfang an auf militante Konfrontation mit ansässigen Rechtsradikalen – den Vorwurf der mackerhaften Selbstbestätigung müssen wir uns daher gefallen lassen. Nur die erfolgreiche Verteidigung des einzigen autonomen Hauses von Guben kann unseren Einsatz rechtfertigen und das auch nur, wenn mensch nicht unbedingt davon ausgeht, dass der Fascho-Angriff erst durch unsere Anwesenheit provoziert wurde.

Bei der Verteidigung des Hauses gab es mehrere, teilweise selbstverschuldete ungünstige Faktoren:

1. Das gestörte Verhältnis zu Polizei und Normalbürger (das vor unserer Ankunft ganz gut war). Grund: Stürmung des Fascho-Hauses, kurzzeitige Verhaftung von Antifas durch VoPo / unser in Guben äußerst befremdlich wirkendes Äußeres.
2. Mangelhafter Ausbau des Hauses (Ausgang vorn verbaut, einziger Ausgang zum Hof/ausgedehnten Garten ohne direkten Zugang zur Straße, Spitzdach mit Laufstegen, wenig Wurfmaterial, keine Mollis)
3. Das Verhalten der Gubener Besetzerinnen selbst (keine Erfahrung im Abwehrkampf, geteilte Meinungen zum Einsatz von Gewalt, kameradschaftliche / verwandtschaftliche Verbindung zu Angreifern und dadurch Hemmungen, teilweise Angst, mangelhafte Ausrüstung (Helme!)).
4. Nichteingreifen der Polizei trotz massiver Präsenz (sperrten nur Seitenstraßen ab) – na toll !!!

Guben 1. September [ein Kreutz(iger)Zug?]
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
Die Verteidigung des Hauses gegen die 80 bis 100 „Faschos“, deren Anrücken sehr früh vermeldet wurde, lag größtenteils in unseren Händen. Die geringe Verteidigerzahl(ca. 35) glich sich wirkungsvoll durch überlegene Ausrüstung aus. Zwillen und Pyros trafen zwar mehrmals, in einem wohl auch ziemlich schwer, nur vertreiben konnte mensch die Typen so nicht. Die etwa 3o Minuten (unter den Augen der Bullen!) lagen wir unter Steinbeschuß, teilweise mit Schleudern – dank der Helme gab es bei den seltenen Treffern keine Verletzungen. Glas ging auch kaum zu Bruch.

Guben 1. September [ein Kreutz(iger)Zug?]
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
Taktisch gab es (wie immer) Mängel, Die Faschos teilten sich nach den ersten Geschossen in eine passive und in eine aktive Gruppe links und rechts vom Haus. Auf Distanz gehalten, machten sie gar nicht erst den Versuch einer ernsthaften Bestürmung und beschränkten sich auf Steine, einzelne Pyros und Sprechblasen (Heil Hitler, Sieg Heil, Chaoten nach Auschwitz, CHaoten zurück nach Kreuzberg, linke raus, Rote vergasen, Rudolf Hess und anderer üblicher Brei). Abgestimmte Pyro-Salven hätten die Trefferquote wesentlich erhöhen können, da die Typen den einzelnen Geschossen stets rechtzeitig auswichen. Die geplante Verteidigung des Hofs/Garten mit unseren Fahrzeugen fiel aus, da die meisten von uns sehr schnell wieder im Haus verschwanden – die Faschos trauten sieb eh nicht in den ausgedehnten arten hinter dem Haus. Ein Ausfall analog Mainzer Straße zu Pfingsten kam nicht zustande. Er scheiterte an der hartnäckigen Weigerung der ansässigen BesetzerInnen, uns hinauszulassen (wir wären wahnsinnig, usw.). Die Erfolgsaussichten eines Ausfalls standen relativ gut. Die Angst der Faschos vor den „Kreuzberger Chaoten“, mehrere hysterische Frauen im Pulk, die sicher als erste Flucht ergriffen und eins auf Panik gemacht hätten, unsere Kampferfahrung + bessere Ausrüstung + echte Wut).

Noch während des Abwehrkampfes begann die Hatz auf verstreute Faschos in den Nebenstraßen, etwa sechs Typen erwischte es dabei, zum Teil recht arg – dabei typisch die immer nur halbherzige Gegenwehr (Angst!!). Wenig später wurden wir durch die Bullen an weiteren Aktionen gehindert. Gegen 2.3o Uhr verließen wir unter Polizeigeleit die Stadt.
Im Ganzen einigermaßen zufriedenstellend: keine eigenen Verletzten, die Gegenseite mindestens zehn.
Nur ein erfolgreicher Ausfall (oder Bullenknüppel) hätte Ruhe gebracht. Jetzt werden die Faschos im Bewusstsein ihrer Stärke immer wieder kommen. Vielleicht nicht mehr in dieser Masse. Die Folgen haben ohnehin die Gubener BesetzerInnen zu tragen. Insofern war es ein Kriegsspiel auf Kosten anderer.
Unsere Abfahrt hat nicht nur die Gubener Polizei mit Erleichterung zur Kenntnis genommen.

aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90

In der BesetzerInnen Zeitung Nr. 4, vom 12. September 1990 wurde eine Reaktion und harte Kritik auf diesen Beitrag, sowie am Autor abgedruckt.