Die Antifaschistische Demonstration in Berlin-Lichtenberg, am 24. Juni 1990, Teil1

Die Antifaschistische Demonstration in Berlin-Lichtenberg, am 24. Juni 1990

– erschienen in der Zeitschrift telegraph, Nr. 12/90, vom 10. Juli 1990 –

Antifaschistische Demonstration in Berlin-Lichtenberg

Zu der in Presse und Rundfunk vielfältig kommentierten antifaschistischen Demonstration im Ostberliner Stadtbezirk Lichtenberg hatte ein breites Spektrum von vielen autonomen Gruppen in Ost- und Westberlin, über besetzte Häuser, UFV, Vereinigte Linke, Teilen des Neuen Forums, der Umwelt-Bibliothek, KW bis zum Bund der Antifaschisten aufgerufen.

Es gab im Vorfeld lange Diskussionen über die Demo-Route. Die Überlegung, an den Häusern der faschistischen Zentrale der „Nationalen Alternative“ vorbeizugehen, wurde wieder fallen gelassen. Dabei waren die Hauptargumente, dass die Faschisten in den Häusern unberechenbar sind und daher Angriffe und Verletzungen vor allem von Bündnisteilnehmerinnen nicht ausgeschlossen sind. Außerdem wurde die Lage richtig eingeschätzt, was die Entschlossenheit Einzelner betraf, gegen die „NA“-Zentrale vorzugehen. Die Demo wäre schon nach einigen Minuten beendet gewesen, während das Hauptziel der Demonstration die politische Manifestation von Antifaschismus im Stadtteil Lichtenberg sein sollte. Auch war klar, dass am Demo-Tag die Polizei massiv die faschistischen Häuser absichern wird. Eine Kompromiss-Route wurde gefunden, die in der Nähe der faschistischen Häuser vorbeiging, über den Bahnhof Lichtenberg, wo es oft zu Überfällen von Faschisten auf Ausländerinnen kommt, zum Ausländerinnenwohnheim und dann zurück in die Nähe der „NA“-Häuser. wo eine Abschlusskundgebung geplant war.

Diese Demo-Route wurde vom Rat des Stadtbezirkes Lichtenberg verboten. Derselbe Rat, der vor einigen Wochen den Aufenthalt der Faschisten in der Weitlingstraße durch Verträge legalisierte. Nach Verhandlungen mit verschiedenen Gremien wurde die Demo-Route doch noch kurz vor Demo-Beginn erlaubt.

Im Vorfeld lief In der Presse eine Entmobilisierungskampagne. Die Demo-Aufrufe und Presseerklärungen der aufrufenden Gruppen wurden so gut wie nicht veröffentlicht, verzerrt oder taz-typisch völlig verfälscht.

Das Ergebnis der Presseveröffentlichung und die Tatsache, dass wahrscheinlich fast alle Bündnis-Gruppen nur politisch die Demo unterstützten („Wir müssen Ja alle fürn Antifaschismus sein!“), ohne aber selbst zu mobilisieren oder wenigstens selbst zu erscheinen, war, dass von den Bündnis-Gruppen vielleicht 100 Personen da waren. Der Charakter der Demo war somit fast rein autonom. Aber auch die 4.000 Autonomen aus Ost- und Westberlin waren zahlenmäßig enttäuschend. Auch in der DDR entsteht Jetzt das Bild: Antifaschismus = Autonome = Militanz. Das und somit auch den Verlauf der Demo haben zu einem großen Teil die 10.000 nicht gekommenen Menschen von PDS bis zum Neuen Forum zu verantworten.

Die Grundstimmung der Demonstration war von Beginn an gezeichnet vom militärischen Outfit und der spürbaren Ungeduld. Die Westberlinerlnnen durften endlich wieder einmal ihre schmucken schwarzen Helme vorführen, einige Ostberlinerinnen konnten gut mit ausgedienten Uniformteilen der NVA und der Roten Armee mithalten. Es sah aus wie bei einer Rittermodenschau.

Die Demo ging trübe los, mit Musik zum Frühstück und einleitenden Worten, die wieder einmal Nichtnachvollziehbarkeit und geschichtliche Ignoranz zum Ausdruck brachten. Da wurde erklärt, dass es ungewöhnlich sei, dass die Demo an einer Kirche los ginge und dass es jetzt durch einen Stadtteil geht, wo Linke nicht erwünscht seien, es also ganz anders als in Westberlin sei.

Davon ausgehend, dass die Westberlinerinnen sich im Ausland befanden und im Ausland eine Demo mitmachten, war zu erwarten, dass sie sich mit dem gesellschaftlichen Kontext in der DDR auseinandersetzen und auch nicht versuchen, ihre Weisheiten der Demonstration aufzudrücken. Diese Verhaltensformen, eigene Erfahrungen als die Aller anzusehen und damit zu dominieren, waren während der ganzen Demo spürbar.

Als die Demo das erste Mal in die Nähe der Weitlingstraße kam, wurden Polizeiketten mit Westschildern und Westberatern zum Absperren der Seitenstraßen eingesetzt. Unnötige Provokation durch Auffahren von Räumfahrzeugen, Wasserwerfern und kläffenden Hunden. Auch wurde nach westlichem Vorbild eine Spalierkette vorgeführt.

Unnötige Provokationen und Steinwürfe vor allem Westberliner durchgeknallter Männer gegen die Polizeiketten ließ den Demo-Zug stocken, riss den Demo-Zug nach dem Lautsprecherwagen auseinander. Ab da war es klar, dass die Demo aus zwei Gruppen bestand, Eine Gruppe, die die Demo als politisches Mittel sah, antifaschistische Aktion vor den Augen der wütenden Faschisten zu demonstrieren und die Menschen im Stadtteil erreichen wollte und vor allem ab da schon sah, dass ein militärisches Vorgehen gegen die faschistische NA-Zentrale zum Debakel führen würde. Die andere Gruppe bestand aus durchgeknallten Männern, die Ihren mitgebrachten Hass und Munition loswerden wollten.

Die Demo führte dann am Lichtenberger Bahnhof vorbei, an dem eine Zwischenkundgebung stattfand, zu dem AusländerInnenwohnheim in der Hans-Loch-Strasse. Unterwegs wurde ein Camel-Wagen seiner Fracht entledigt.

Am Haus, in dem Mocambiquanerlnnen wohnen, wurde eine Kundgebungspause eingelegt. Die versprochenen Vorgespräche mit den Bewoh­nerinnen hatten wahrscheinlich nicht stattgefunden. Es bedurfte Überredungskünste, um die AusländerInnenbetreuerinnen dazu zu bewegen, die Türen zu öffnen. Ein Mocambiquaner hielt ein Redebeitrag; er freute sich

angemacht und die Demo gefährdet (keine geschlossenen Reihen nach dem Lautsprecherwagen, Leuchtkugel-Geschosse und Knaller sinnlos um die Köpfe geballert, eigene Leute durch Steine verletzt).

Was bleibt: Das Ziel einer politischen antifaschistischen Manifestation im Stadtteil und vor den faschistischen Häusern ist ansatzweise geglückt. Nach der Demo und dem Straßenkampf gibt es aber mehr Ablehnung als Sympathie im Stadtteil. Es gibt einen kleinen Versuch der Kontaktaufnahme mit den Ausländerinnen in Lichtenberg und das Thema der faschistischen NA-Zentrale musste wieder In der Presse und im Innenministerium als Problem artikuliert werden. Mittlerweile ist die NA-Zentrale verlegt worden. Das Problem ist also nicht erledigt sondern verlagert.

Zu hoffen bleibt, dass es eine Auseinandersetzung mit den schwachsinnigen Machokämpfern gibt und eine Klärungsfindung über Militanz stattfindet. Militante Aktionen müssen militärisch durchsetzbar, politisch erklärbar und in der Bevölkerung vermittelbar sein. Der Faschismus ist militärisch nicht zu besiegen, das müssten langsam auch die letzten Typen kapieren. Auch in den zwanziger, dreißiger Jahren hat es der Rot-Frontkämpferbund, der viel besser militärisch und organisatorisch drauf war, nicht geschafft, den Faschismus zurückzuschlagen.

Vor uns steht die viel schwierigere Frage, wie können wir gemeinsam in Ost und West in den nächsten Jahren in einem kapitalistischen Deutschland den aufkommenden Nationalismus, Faschismus und Sexismus wirksam entgegentreten. Die Beantwortung oder Suche nach Ansätzen bleibt zur Zeit auf der Strecke.

d.t.

Kommentar
Einige Gedanken zur Antifa-Demonstration in Ost-Berlin

Von „Bild“-Zeitung bis „Junge Welt“ wurde am Montag den Leserinnen grosser Massenblätter das gleiche geboten: „Die blutige Schlacht der Westchaoten“ („Bild“). „400 Radikale inszenierten blutigen Krawall“ („ND“), „Extremistische Krawalle nach antifaschistischer Demonstration“ („BZ“-Ost), „Am Ende siegte nur der Hass“ („Junge Welt“). Das war der Höhepunkt der Pressekampagne gegen die Demo. Schon im Vorfeld gab es diverse Falschmeldungen zur Ankündigung der Demo, wurde die Presseerklärung der Demo-Organisatoren erst gar nicht abgedruckt und der Aufruf zur Demo gar nicht oder gekürzt und „bearbeitet“ veröffentlicht.

Dann das Bündnis. 41 Gruppen auf dem Aufruf. Von Autonomen, Antifa-Gruppen bis hin zu Grünen, VL Jugendorganisationen. Jedoch glänzten letztere durch Abwesenheit. Anscheinend war auch keine Mobilisierung in diesen Reihen gelaufen. Offenbar glauben die Politniks dieser „demokratischen Organisationen“, dass die Unterschrift unter einen Aufruf antifaschistisches Bekenntnis genug sei. Folglich war die Demo zu ca. 90 % durch autonomes Spektrum geprägt. Schwarze Kleidung, vermummte Gesichter, Helme, optische Demoausrüstung aus jahrelanger Erfahrung mit Polizei und Kameras in Ost und West, aber auch innere Angst vor den Faschisten. Immerhin kamen trotzdem 5000, das beweist, dass das autonome Spektrum sehr wohl in der Lage ist, Massen zu mobilisieren, wenn auch noch keine Hunderttausende, und sie noch lange nicht isoliert sind. Jedoch hätten bei der Demo gut und gern Zehntausende sein können, wäre eine Mobilisie­rung nicht von bürgerlicher Presse und von den „demokratischen“ Parteien blockiert, bzw. nicht durchgeführt worden.

Und der Staat. Erst versucht der Stadtbezirksbürgermeister die Demoroute umzulegen, sie In die Seitenstraßen und möglichst weit weg vom Grund der Demonstration zu drücken. Als das nicht klappt, lässt man massiv Bullen auffahren. 2500 Bullen (offiziell spricht man von 500) bilden einen massiven Sperrriegel. Ausgerüstet mit Helmen, Schilden, Knüppeln, Räumfahrzeugen und Wasserwerfern.

Was während der Demo von Seiten der Demonstranten lief, war eine Mischung zwischen teilweise militantem Säbelgerassel, sich in Sprechchören entäussernden Emotionen und Wut auf Faschos und die schützend vor diesen stehenden Polizei. Dennoch war es aber größtenteils eine Bekundung antifaschistischen Bewusstseins. Die Demo schwappte hin und her zwischen politischer Bekundung, Langeweile und Aktionismus. Dies alles kompensierte sich dann Lück /Ecke Ruprechtstrasse und geriet unkontrolliert zum Ausbruch, wurde zum Stellvertretergefecht mit den Bullen. Sie bekamen ab, was eigentlich die Faschos abkriegen müssten. Zum Glück war der größte Teil der Demonstranten diszipliniert genug, die Demonstration zu Ende zu führen.

Den 500 Angreifern schien aber die Demo nur zweitrangig zu sein.

Nun kann man/frau sagen, dass die Polizei selber schuld ist, wenn sie sich vor die Faschisten stellt. Ich halte es jedoch für fragwürdig, ob dieser Angriff zu diesem Zeitpunkt irgendwie sinnvoll war. Die Chance, gerade dort einen Durchbruch zu den Häusern zu schaffen, war von vornherein gering. Weiterhin wurde die Demo damit hochgradig gefährdet. Gegen durchdachte und vor allem disziplinierte militante Aktionen mit Aussicht auf Erfolg ist erst einmal nichts zu sagen, aber*was dort ablief war nicht mehr als eine Präsentation von Machogehabe und Waffenschau, Demonstration von Superman-Mentalität. Hier ging es meiner Meinung nach nicht um die Durchsetzung politischer Ziele, sondern um das bloße Abreagieren von Emotionen. Militanz und Radikalität heißt nicht, präsentiert die Eisenstangen, haut drauf, sondern politisches Bewusstsein, abschätzen der strategischen Situation und verantwortungsbewusstes, überlegtes Handeln. So hätte es z.B. auf keinen Fall passieren dürfen, dass Demonstrantinnen von hinten aus den eigenen Reihen durch Steine verletzt wurden. Die lachenden Dritten waren jedenfalls die Faschos.

Ein Trost bleibt. Das Thema „Nationale Alternative“ und Weitlingstraße
ist nun in aller Munde, die Regierung steht unter Druck. Die Faschisten
wissen, dass sie mit einer starken antifaschistischen Kraft zu rechnen haben und dass nicht jeden Tag 2500 Polizisten zu ihrem Schutz zur Verfügung stehen. Nun kommt es darauf an, den öffentlichen Druck nicht abklingen zu lassen, sondern ihn zu verstärken. Denn erst einmal ist die „NA“ noch immer legal, existieren die besetzten Häuser in der Weitlingstraße, provokant, menschenverachtend und über der Nummer 122 weht immer noch die Reichskriegsflagge.                               d.w.

Bestimmt der Stein das Bewusstsein?

Erklärung der Umwelt-Bibliothek Berlin zu den Vorfällen während der Antifa-Demonstration gegen die Nazihäuser in der Ostberliner Weitlingstraße

Wir gehören zu den Unterzeichnerinnen und Teilnehmerinnen der Demonstration gegen die Berliner Zentrale der „Nationalen Alternative“ in der Weitlingstraße. Wir schämen uns und wir sind zornig. Mit der Demonstration wurde nicht das erreicht, was wir wollten, sondern das genaue Gegenteil. Und das Schlimmste: ohne Sinn und Verstand und ohne irgendeinen Grund wurden eine Reihe von Menschen zum Teil schwer verletzt

Es ging uns bei der Demonstration darum, einen weiten Konsens von Berliner Bevölkerung, Gruppen, Organisationen und Parteien gegen die mittlerweile fast täglichen Überfalle auf Passantinnen und Häuser zu zeigen, die nachweislich aus der NA-Zentrale in der Weitlingstraße gesteuert werden. Leider konnten wir schon im Aufruf zu dieser Demonstration diese notwendige Breite nicht erreichen. Wir richten das als Vorwurf an die Leute vom Bündnis 90, denen offenbar die Auftritte in der Volkskammer wesentlichster Lebensinhalt und Basisarbeit Nebensache geworden ist Kein einziger von den Prominenten des Bündnisses war erschienen und eine Mobilisierung der Anhängerinnen hat offenbar gar nicht stattgefunden. Bedrückt hat uns, dass darüber hinaus kaum Leute aus der Berliner Bevölkerung erschienen waren. Offenbar ist die allgemeine Situation so traumatisch, dass kaum jemand mehr Mut und Lust findet, für allgemeine Belange einzutreten.

Die Demonstration bestand also im Wesentlichen aus denen, die im Westen und mehr noch im Osten Opfer von Naziangriffen wurden, Bewohnerinnen von besetzten Häusern, Leute, die wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens zusammengeschlagen wurden, aber auch normale Straßenpassantlnnen, denen das gleiche aus irgendeinem Grund widerfuhr. Diese Demonstrationsteilnehmerinnen hatten zwei Erfahrungen: Sie kannten die hemmungslose Brutalität der Nazis und sie wussten, dass sich die Polizei bei Überfällen auf besetzte Häuser, wenn überhaupt, nur zögernd und sparsam einstellt Demgegenüber wurden die Nazihäuser in der Weitlingstraße von 2.500 Polizisten vor den Demonstrantinnen geschützt. Entsprechend war die allgemeine Stimmung von Empörung und Hass bestimmt.

Wir waren nicht besonders begeistert, als wir sahen, dass ein Teil der Demonstranten seit Beginn mit Schlagstöcken aus Holz und Stahl und mit Gaspistolen ausgerüstet war. Wir haben angenommen, dass das sinnvoll sein könnte, falls die Polizei uns nicht vor einem Naziangriff schützen kann oder die Polizei ohne Begründung die Demonstration angreift (wie es letztens in Westberlin bei einer Behinderten-Demonstration geschah).

Es geschah aber das völlige Gegenteil. Die Polizei hielt sich zurück, obwohl sie von Schlagstock schwingenden Demonstrationsteilnehmern provoziert wurde. Als z.B. ein Polizist harte Drohungen mit einem Schimpfwort beantwortete, wurde das genutzt, um ihn tätlich anzugreifen. Pflastersteine wurden ohne Grund geworfen, aus Gaspistolen auf die Polizei geschossen. Die Eskalation endete dann in der bekannten Schlacht

Es ist zwar richtig, dass der Großteil der Demonstrantinnen sich nicht an diesen Aktionen beteiligte. Wir haben aber auch nicht genug getan, um uns von dieser knüppelschwingenden „Leibgarde“ zu befreien. Soweit allerdings Demonstrantlnnen diese Aktivisten zurückzuhalten suchten, wurden sie ebenfalls mit dem Knüppel bedroht, geschlagen oder auch nur als Weichling oder Spitzel beschimpft.

Wir glauben, dass diese Art von Militanz nichts mehr mit den Inhalten einer linken Bewegung zu tun hat Die Veränderung einer Gesellschaft ist leider nicht ganz ohne Gewalt möglich. Es handelt sich dabei aber immer, wie in der DDR seit Oktober zu sehen war, um eine Verteidigung der Bevölkerung gegen die Herrschenden, um Notwehr. Gewalt und Unterdrückung bedingen sich in einer patriarchalischen Gesellschaft gegenseitig. Sie beginnen mit der Unterdrückung von Frauen und anderen Mitmenschen und enden bei der organisierten militärischen und politischen Unterdrückung der Bevölkerung.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der Gewalt und Unterdrückung beendet sind. Der Kampf um diese Gesellschaft kann nicht von einem militarisierten „bewusstesten Vortrupp“ von „Berufsrevolutionären“ geführt werden. Eine Bewegung, die eine solche „Avantgarde“ akzeptiert, wird zum Schluss von ihr vergewaltigt werden, wie das so oft in der Vergangenheit geschehen ist Wir wollen nicht von bewaffneten Berufsrevolutionären geschützt werden. Wir schützen uns selbst, nicht mit militärischen Mitteln, sondern mit der oft verhöhnten Kraft der Schwachen, mit der wir schon einmal ein Regime besiegt haben. Wir denken mit dem Kopf und fühlen mit dem Bauch, nicht umgekehrt.

Es geht uns nach wie vor um die Auflösung der NA-Zentrale in der Weitlingstraße und das Verbot der NA. Das kann aber nur ein Anfang sein. Es geht nicht nur darum, dass sich die Bürgerinnen endlich wieder auf der Strasse sicher fühlen können. Weit wichtiger ist ein systematisches Programm zur gesellschaftlichen Sozialisation von Zehntausenden dissozial isierter Jugendlicher, die im Moment nur von Nazis „betreut“ werden. Diese unselbständigen und autoritätsgläubigen Jugendlichen sind das schwere Erbe, das uns. das Erziehungssystem des alten Regimes hinterlassen hat. Was in deren Köpfen an Unrat wuchs, kann nicht mit militärischer Gewalt beseitigt werden, sondern nur mit zäher, geduldiger Arbeit. Ein wesentliches und bisher völlig fehlendes Fundament der Arbeit der Antifa-Gruppen muss deshalb Informationsarbeit in Schulen, Jugend- und Freizeitzentren und anderen Orten sein, an denen Jugendliche erreichbar sind, die Erstellung von Material für interessierte Lehrer und Sozialarbeiter, alle möglichen Formen von Öffentlich­keitsarbeit

Ein Diskussionsprozess über das Verhalten bei Demonstrationen muss dringend geführt werden. Dabei wird man/frau sich von Leuten trennen müssen, die gleichgültig in der Wahl ihrer Mittel sind. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Die angewandten Mittel müssen dem Ziel entsprechen.

Umwelt-Bibliothek Berlin