Schönhuber pfeift – die Ratten kommen

– aus der DDR-Oppositions-Zeitschrift telegraph, Nr.9/89, vom 29. November 1989 –

Als ich am 27. November vor der überfüllten Leipziger Nikolaikirche auf Freunde und die Demo wartete, wunderte es mich, hinter den Fenstern der Küsterei eine riesige Deutschlandfahne zu sehen. Nebenbei erfahre ich, daß der IGL (Initiativgruppe Leben) die Gestaltung des heutigen Friedensgebetes verwehrt wurde, ebenso erging es den Arbeitskreis Gerechtigkeit in der Vorwoche – Pfarrer Führer sind die Basisgruppen anscheinend zu links, zumal der Bürgermeister der Partnerstadt Hannover anwesend ist. Die Deutschlandfahne voran bewegt sich alles zur Kundgebung auf den Karl-Marx-Platz (der künftig „Platz der Freiheit“ heißen soll). Gerade heute gibt es eine breite Öffentlichkeit durch anwesende Dokumentarfilmer.

Aber es ist nicht mehr die gewohnte Leipziger Demo: überall Deutschlandfahnen, Transparente wie „Wiedervereinigung jetzt“, „Weizsäcker – Präsident aller Deutschen“, „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Während der Ansprachen verdichtet sich das Gefühl, unter die REPs geraten zu sein. Auf die wenigen klaren Absagen an die Wiedervereinigung (SDP Vereinigte Linke) ein Mensch aus Heidelberg) folgen Pfiffe und der Schlachtruf „Deutschland einig Vaterland“ in Fußballstadionmanier. Selbst als ein Redner notwendige gute Nachbarschaft mit unseren polnischen und tschechischen Freunden fordert, wird er ausgepfiffen – diese Ausländerfeindlichkeit bekam Nahrung durch staatliche Stimmungsmache in der DDR in den letzten Tagen.. Nur vereinzelt andere Plakate: „Gegen Aufkauf der DDR durch die BRD- kein viertes Reich“. „Alle Herrschaftssysteme sind brutal, weil sie auf Gewalt aufbauen“, „Gegen Faschismus, Rassismus, Sexismus“ – auf der Rückseite die Faust, die das Hakenkreuz zerschlägt, „Umweltreich statt Deutsches Reich“. Wir sind nur ca. 50 Andersdenkende, hauptsächlich Punks und Anarchisten, und beschließen, in die entgegengesetzt Richtung zu laufen. Als wir dann der Den» begegnen, rufen wir den Menschen zu „Keine Wiedervereinigung“, „Kein viertes Reich“, einer schwenkt die rot-schwarze Fahne der Anarchisten. Aus der dumpfen Menge schlägt uns entgegen „Ihr seid das letzte“, „Schämt euch was“, „Geht erst mal arbeiten“, „Wichser“, selbst als „Stasischweine“ und „Faschos“ (Gipfel der Demagogie!) werden wir beschimpft. Plötzlich weiß ich, wie Adolf-Hitler-Wähler aussehen. Es riecht förmlich nach Pogrom. Einer hält beschwörend sein Schild „keine Gewalt“ hoch. Wir antworten mit „Nazis raus“, „Schönhuber raus“, „Ihr seid hohl – verkauft euch bloß an Kohl“. Nur vereinzelt gab es Beifall, wenige stellten sich an unsere Seife. 50 gegen 50.000.

Das Leipziger Demo-Publikum ist also ein anderes geworden. Jetzt, wo das Demonstrieren nicht mehr gefährlich ist, kriechen die Deutsch-Nationalen aus den Löchern. Die es begannen und erkämpften, bleiben fern. Erschöpft von der Kleinarbeit, aber auch erschreckt durch großdeutsches Wiedervereini-gungsgeschwafel bereits am 13. November. Damals gab es noch Plakate wie „Stasigelder für die Wälder“, „Banane – Vorsicht Rutschgefahr“, „Selbstverwaltung statt Mitbestinnung“, Forderungen nach der Rehabilitierung Robert Havenanns und Wolf Biermanns. All dies fehlt jetzt, als ob alle Forderungen verwirklicht seien (auf der Kundgebung wurde z.B. bekannt, daß die Stasi-Leute, die in Cottbuser Tagebauen arbeiten ihr altes Dienstverhältnis inclusive Bezahlung behalten haben! Zum anderen ist bekannt, daß die Verschickung in die Produktion doch nur hauptsächlich Wehrpflichtige des Wachregi¬ments „Dzierzinski“ betraf, ganz zu schweigen vom Gefängnispersonal und den unveränderten Knastver¬hältnissen…)

Sicherlich sind nicht alle Nazis – für manche scheint die Wiedervereinigung das letzte Tabuthema zu sein. Oder ist es nur einsetzende Verzweiflung, aus Angst vor der eigenen Verantwortung für die Zukunft? Mittlerweile gibt es hartnäckige Gerüchte, daß sich eine „Partei für die Wiedervereinigung gründen will – sicherlich, „Republikaner“ werden sie sich noch nicht gleich nennen.
Dem vierten Reich keine Chance!
Wir brauchen keinen starken Mann, denn wir sind selber stark genug! g.h.

Als ich am 27. November vor der überfüllten Leipziger Nikolaikirche auf Freunde und die Demo wartete, wunderte es mich, hinter den Fenstern der Küsterei eine riesige Deutschlandfahne zu sehen. Nebenbei erfahre ich, daß der IGL (Initiativgruppe Leben) die Gestaltung des heutigen Friedensgebetes verwehrt wurde, ebenso erging es den Arbeitskreis Gerechtigkeit in der Vorwoche – Pfarrer Führer sind die Basisgruppen anscheinend zu links, zumal der Bürgermeister der Partnerstadt Hannover anwesend ist. Die Deutschlandfahne voran bewegt sich alles zur Kundgebung auf den Karl-Marx-Platz (der künftig „Platz der Freiheit“ heißen soll). Gerade heute gibt es eine breite Öffentlichkeit durch anwesende Dokumentarfilmer.
Aber es ist nicht mehr die gewohnte Leipziger Demo: überall Deutschlandfahnen, Transparente wie „Wiedervereinigung jetzt“, „Weizsäcker – Präsident aller Deutschen“, „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Während der Ansprachen verdichtet sich das Gefühl, unter die REPs geraten zu sein. Auf die wenigen klaren Absagen an die Wiedervereinigung (SDP Vereinigte Linke) ein Mensch aus Heidelberg) folgen Pfiffe und der Schlachtruf „Deutschland einig Vaterland“ in Fußballstadionmanier. Selbst als ein Redner notwendige gute Nachbarschaft mit unseren polnischen und tschechischen Freunden fordert, wird er ausgepfiffen – diese Ausländerfeindlichkeit bekam Nahrung durch staatliche Stimmungsmache in der DDR in den letzten Tagen.. Nur vereinzelt andere Plakate: „Gegen Aufkauf der DDR durch die BRD- kein viertes Reich“. „Alle Herrschaftssysteme sind brutal, weil sie auf Gewalt aufbauen“, „Gegen Faschismus, Rassismus, Sexismus“ – auf der Rückseite die Faust, die das Hakenkreuz zerschlägt, „Umweltreich statt Deutsches Reich“. Wir sind nur ca. 50 Andersdenkende, hauptsächlich Punks und Anarchisten, und beschließen, in die entgegengesetzt Richtung zu laufen. Als wir dann der Den» begegnen, rufen wir den Menschen zu „Keine Wiedervereinigung“, „Kein viertes Reich“, einer schwenkt die rot-schwarze Fahne der Anarchisten. Aus der dumpfen Menge schlägt uns entgegen „Ihr seid das letzte“, „Schämt euch was“, „Geht erst mal arbeiten“, „Wichser“, selbst als „Stasischweine“ und „Faschos“ (Gipfel der Demagogie!) werden wir beschimpft. Plötzlich weiß ich, wie Adolf-Hitler-Wähler aussehen. Es riecht förmlich nach Pogrom. Einer hält beschwörend sein Schild „keine Gewalt“ hoch. Wir antworten mit „Nazis raus“, „Schönhuber raus“, „Ihr seid hohl – verkauft euch bloß an Kohl“. Nur vereinzelt gab es Beifall, wenige stellten sich an unsere Seife. 50 gegen 50.000.

Das Leipziger Demo-Publikum ist also ein anderes geworden. Jetzt, wo das Demonstrieren nicht mehr gefährlich ist, kriechen die Deutsch-Nationalen aus den Löchern. Die es begannen und erkämpften, bleiben fern. Erschöpft von der Kleinarbeit, aber auch erschreckt durch großdeutsches Wiedervereinigungsgeschwafel bereits am 13. November. Damals gab es noch Plakate wie „Stasigelder für die Wälder“, „Banane – Vorsicht Rutschgefahr“, „Selbstverwaltung statt Mitbestinnung“, Forderungen nach der Rehabilitierung Robert Havenanns und Wolf Biermanns. All dies fehlt jetzt, als ob alle Forderungen verwirklicht seien (auf der Kundgebung wurde z.B. bekannt, daß die Stasi-Leute, die in Cottbuser Tagebauen arbeiten ihr altes Dienstverhältnis inclusive Bezahlung behalten haben! Zum anderen ist bekannt, daß die Verschickung in die Produktion doch nur hauptsächlich Wehrpflichtige des Wachregiments „Dzierzinski“ betraf, ganz zu schweigen vom Gefängnispersonal und den unveränderten Knastverhältnissen…)

Sicherlich sind nicht alle Nazis – für manche scheint die Wiedervereinigung das letzte Tabuthema zu sein. Oder ist es nur einsetzende Verzweiflung, aus Angst vor der eigenen Verantwortung für die Zukunft? Mittlerweile gibt es hartnäckige Gerüchte, daß sich eine „Partei für die Wiedervereinigung gründen will – sicherlich, „Republikaner“ werden sie sich noch nicht gleich nennen.
Dem vierten Reich keine Chance!

Wir brauchen keinen starken Mann, denn wir sind selber stark genug! g.h.

Auch in Schulen bereits Neofaschistische Gesinnung

Eine farbige DDR-Bürgerin berichtet

– aus DDR-Oppositions-Zeitschrift telegraph, Nr.8/89, vom 16. November 1989 –

Am Ende einer Veranstaltung im Berliner Jugendclub „jojo“ hatten wir am 26. Oktober eine unangenehme Begegnung mit mehreren anscheinend überwiegend nationalistischen Schulklassen. Zwei Freunde und ich wurden von den Schülern umringt, die uns mit Beschimpfungen unmißverständlich neofaschistischen Charakters überhäuften. Ich war auch im weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen wegen meiner dunklen Hautfarbe ständiger Mittelpunkt der Angriffe. Als Beispiele seien nur einige genannt wie „Drecksnigger“, „Türkenschwein“, „Judensau“ und ähnlich sattsam bekanntes Vokabular neofaschistischer Gruppierungen. Als wir den Jugendclub verließen, waren 30-40 Schüler versammelt und warteten auf uns. Sofort begannen wieder die Provokationen. Ein Freund von mir und ich wurden mehrere Male geschlagen und mit Füßen getreten. Dabei tat sich ein Jugendlicher auf besonders brutale Weise hervor. Einer meiner Freunde nahm diesen beiseite, um mit ihm zu reden. Der ließ sich aber nicht beruhigen und begann zu schlagen. Mein Freund verlor einen Schneidezahn. Während die anderen zusahen, drängten mehrere Schüler auf mich ein und begannen mich von neuem zu beschimpfen, zu treten und zu schlagen. Die für uns zunehmend gefährliche Situation löste sich auf, als beim Eintreffen eines VP-Streifen-Wagens alle Schüler flüchteten.

A., r.l.

Reaktion und harte Kritik auf den Beitrag, sowie am Autor von: „Guben 1. September [ein Kreutz(iger)Zug?]“ aus der BesetzerInnen Zeitung Nr. 3

– aus BesetzerInnenZeitung Nr. 4, vom 12. September 1990 –

Der Autor bezieht sich auf diesen Text: http://guben-1-september-ein-kreutzigerzug

GUBEN

Woher nimmst Du das Recht, mich als mackerhaften Prügelidioten
zu bezeichnen?! Gubener Antifas waren es ja wohl, die uns um Hilfe baten. Und nach meinem antifaschistischen Selbstverständnis war es klare Sache, nach Guben zu fahren, um dort die Antifas zu unterstützen. Sage mir bitte, warum wir den Fascho- Angriff provoziert haben sollen. Gab es etwa vor unserer Ankunft in Guben keine Angriffe auf das besetzte Haus oder die Antifas?
Gab es bis dahin in Guben keine Neo-Nazis oder Menschen, die immer mitrennen, wem es gegen linke geht? Genial ist natürlich auch, daß Du gleich schreibst, wo die meisten von uns wohnen (wünsche der „Kreutziger“ eine angenehme Bullen- Hausdurchsuchung). Die Antifas, die in Guben von Bullen abgegriffen wurden freut es sicherlich, eine so sachliche Berichterstattung in der BZ (BestzerInnenZeitung) zu lesen (ein Pluspunkt mehr in der Akte).

Ein ganz dickes Lob auch an die Redaktion der letzten BZ!
In der Ausgabe Nr. 2 lese ich: „Das gilt besonders für Gedächtnisprotokolle nach irgendwelchen Aktionen! Sobald leute damit gefährdet werden, wird notfalls geschwärzt.“ … bläh, blöh, sülz Was mich auch stark irritiert, ist dieser Kotz- Bericht, der voller Widersprüche ist. Warum bist Du eigentlich mit nach Guben gefahren, sicherlich nicht, um den Antifas dort deine UNTERSTÜTZUNG zu geben! …nach Deiner Scheiße , die Du geschrieben hast. So schreibst Du, wir hätten die Neo- Nazis provoziert, es wäre so oder so alles Scheiße, was wir gemacht haben und dann lesen meine sichtlich genervten Augen, die Trefferquote auf die Neo- Nazis hätte höher sein können. Entweder bist Du T0TAL BLÖD oder Du solltest mit Dir ins Reine kommen und deine antifaschistische Praxis näher erläutern. Was mich eigentlich nur an der ganzen Aktion genervt hat war, daß wir nicht noch zwei Stunden im Haus geblieben sind. Es hätte ja gut möglich sein können, daß einige Neo- Nazis das Haus im Laufe der Nacht noch einmal angreifen. Eins sei noch festzustellen: der Großteil der Gubener Antifas, mit denen ich gesprochen habe, fanden unsere Vorgehens¬weise notwendig und richtig. Und genug Streß mit den Neo- Nazis hatten sie vor unserer Ankunft ja wohl zu Genüge gehabt. Daß die Neo-Nazis in Guben auch weiterhin den dortigen Antifas STREß machen werden, dürfte jedem Antifa FRAU/MANN klar sein, auch ohne unsere Unterstützung am ersten September. Zu guter Letzt noch: ich persönlich finde es sehr traurig, so schreiben zu müssen.

HAUT DEN NEO-NAZIS DORT UND ÜBERALL AUF DIE FRESSE,
WO IHR SIE TREFFT !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

ein autonomer Antifaschist (nicht aus Friedrichshain)

PS: Jeder FRAU/MANN dürfte nun auch klar sein, wer hier der profilierungssüchtige MACKER ist. Ich hoffe, daß es ihm durch diesen Artikel doch nicht gelungen ist. Der Tapferkeitsorden wird DIR später überreicht (aber nur, wenn DU das nächste mal DEINE Trefferquote erhöhen kannst).

Guben 1. September [ein Kreutz(iger)Zug?]

– aus BesetzerInnenZeitung, Nr. 3, vom 5. September 1990 –

aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90

Für den 1.September gab es für Guben an der Neiße (Grenzstadt zu Polen) Fascho-Alarm. Die Gerüchte um Störung eines deutsch-polnischen Volksfestes durch Schlesierverbände, Neonazis mit Kühnen oder ähnliche Unholde blieben Gerüchte – glücklicherweise, denn die Beteiligung Nichtgubener Antifas war nicht eben reichlich. Aus Berlin reisten ca. 2o Leute an, größtenteils aus der Kreutziger Straße. Die Aktion lief von Anfang an auf militante Konfrontation mit ansässigen Rechtsradikalen – den Vorwurf der mackerhaften Selbstbestätigung müssen wir uns daher gefallen lassen. Nur die erfolgreiche Verteidigung des einzigen autonomen Hauses von Guben kann unseren Einsatz rechtfertigen und das auch nur, wenn mensch nicht unbedingt davon ausgeht, dass der Fascho-Angriff erst durch unsere Anwesenheit provoziert wurde.

Bei der Verteidigung des Hauses gab es mehrere, teilweise selbstverschuldete ungünstige Faktoren:

1. Das gestörte Verhältnis zu Polizei und Normalbürger (das vor unserer Ankunft ganz gut war). Grund: Stürmung des Fascho-Hauses, kurzzeitige Verhaftung von Antifas durch VoPo / unser in Guben äußerst befremdlich wirkendes Äußeres.
2. Mangelhafter Ausbau des Hauses (Ausgang vorn verbaut, einziger Ausgang zum Hof/ausgedehnten Garten ohne direkten Zugang zur Straße, Spitzdach mit Laufstegen, wenig Wurfmaterial, keine Mollis)
3. Das Verhalten der Gubener Besetzerinnen selbst (keine Erfahrung im Abwehrkampf, geteilte Meinungen zum Einsatz von Gewalt, kameradschaftliche / verwandtschaftliche Verbindung zu Angreifern und dadurch Hemmungen, teilweise Angst, mangelhafte Ausrüstung (Helme!)).
4. Nichteingreifen der Polizei trotz massiver Präsenz (sperrten nur Seitenstraßen ab) – na toll !!!

Guben 1. September [ein Kreutz(iger)Zug?]
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
Die Verteidigung des Hauses gegen die 80 bis 100 „Faschos“, deren Anrücken sehr früh vermeldet wurde, lag größtenteils in unseren Händen. Die geringe Verteidigerzahl(ca. 35) glich sich wirkungsvoll durch überlegene Ausrüstung aus. Zwillen und Pyros trafen zwar mehrmals, in einem wohl auch ziemlich schwer, nur vertreiben konnte mensch die Typen so nicht. Die etwa 3o Minuten (unter den Augen der Bullen!) lagen wir unter Steinbeschuß, teilweise mit Schleudern – dank der Helme gab es bei den seltenen Treffern keine Verletzungen. Glas ging auch kaum zu Bruch.

Guben 1. September [ein Kreutz(iger)Zug?]
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
Taktisch gab es (wie immer) Mängel, Die Faschos teilten sich nach den ersten Geschossen in eine passive und in eine aktive Gruppe links und rechts vom Haus. Auf Distanz gehalten, machten sie gar nicht erst den Versuch einer ernsthaften Bestürmung und beschränkten sich auf Steine, einzelne Pyros und Sprechblasen (Heil Hitler, Sieg Heil, Chaoten nach Auschwitz, CHaoten zurück nach Kreuzberg, linke raus, Rote vergasen, Rudolf Hess und anderer üblicher Brei). Abgestimmte Pyro-Salven hätten die Trefferquote wesentlich erhöhen können, da die Typen den einzelnen Geschossen stets rechtzeitig auswichen. Die geplante Verteidigung des Hofs/Garten mit unseren Fahrzeugen fiel aus, da die meisten von uns sehr schnell wieder im Haus verschwanden – die Faschos trauten sieb eh nicht in den ausgedehnten arten hinter dem Haus. Ein Ausfall analog Mainzer Straße zu Pfingsten kam nicht zustande. Er scheiterte an der hartnäckigen Weigerung der ansässigen BesetzerInnen, uns hinauszulassen (wir wären wahnsinnig, usw.). Die Erfolgsaussichten eines Ausfalls standen relativ gut. Die Angst der Faschos vor den „Kreuzberger Chaoten“, mehrere hysterische Frauen im Pulk, die sicher als erste Flucht ergriffen und eins auf Panik gemacht hätten, unsere Kampferfahrung + bessere Ausrüstung + echte Wut).

Noch während des Abwehrkampfes begann die Hatz auf verstreute Faschos in den Nebenstraßen, etwa sechs Typen erwischte es dabei, zum Teil recht arg – dabei typisch die immer nur halbherzige Gegenwehr (Angst!!). Wenig später wurden wir durch die Bullen an weiteren Aktionen gehindert. Gegen 2.3o Uhr verließen wir unter Polizeigeleit die Stadt.
Im Ganzen einigermaßen zufriedenstellend: keine eigenen Verletzten, die Gegenseite mindestens zehn.
Nur ein erfolgreicher Ausfall (oder Bullenknüppel) hätte Ruhe gebracht. Jetzt werden die Faschos im Bewusstsein ihrer Stärke immer wieder kommen. Vielleicht nicht mehr in dieser Masse. Die Folgen haben ohnehin die Gubener BesetzerInnen zu tragen. Insofern war es ein Kriegsspiel auf Kosten anderer.
Unsere Abfahrt hat nicht nur die Gubener Polizei mit Erleichterung zur Kenntnis genommen.

aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
aus BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90

In der BesetzerInnen Zeitung Nr. 4, vom 12. September 1990 wurde eine Reaktion und harte Kritik auf diesen Beitrag, sowie am Autor abgedruckt.

Offener Brief an Ingrid Köppe vom Bündnis 90

– aus BesetzerInnen Zeitung, Nr. 00, vom 6. August 1990 –

Flugblatt: Kein Dialog mit Faschisten!
Flugblatt: Kein Dialog mit Faschisten!

Ihren Vorschlag zu einem Dialog zwischen der faschistischen „Nationalen Alternative“ und den „Autonomen“ halten wir für falsch und gefährlich. Aus unserem antifaschistischen Selbstverständnis ergibt sich, dass wir uns zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen mit Nazis an einen Tisch setzen werden.
Dazu erklären wir:

1. Der Versuch das Problem des erstarkenden Neofaschismus in der DDR und in der BRD auf das Niveau von rivalisierenden Jugendbanden zu reduzieren, ist demagogisch. Der Straßenterror, der von faschistischen Gruppierungen wie der NA, FAP, den Hooligans usw. ausgeht, ist eine Spielart des momentan stattfindenden Rechtsruckes, welcher in der sozialen und ökonomischen Unsicherheit begründet liegt. Besonders ekelhaft wird dieser Rechtsruck durch den geschürten Vereinigungstaumel, der Chauvinismus jedweder Prägung nach oben spült. Daran wird wieder deutlich, dass in der DDR wie in der BRD keine ehrliche und umfassende Auseinandersetzung mit dem Faschismus stattgefunden hat.

Es geht also nicht um einzelne Faschisten, es geht nicht darum, wer von denen wann wen zusammengeschlagen hat, sondern wir müssen den Faschismus als dem kapitalistischen System innewohnend begreifen.
In diesem Sinne ist ein Podium von dem herab die Nazis ihre Propagandaleitsätze verkünden, nicht nur unnütz, sondern gefährlich. Es dient dazu, redegewandte Vertreter dieser Ideologie salonfähig zu machen, das Beispiel Schönhuber zeigt dies.

2. Uns Bewohnerinnen der Mainzer Str. mit den Nazis der Weitlingstr. gleichzusetzen ist politisch unverschämt und moralisch verkommen, weil die Nationale Alternative und deren Anhänger sich‘ in der Tradition der SA und somit des Völkermordes und der Barbarei des NS-Regimes verstehen. Diese Gleichsetzung macht Glauben, es gebe kein Faschismus- sondern ein “Radikalenproblem“; bezeichnend ist dabei, dass Sie dieses Thema erst aufgegriffen haben, nachdem Linke, Ausländerinnen, Schwule, Lesben u.a. begonnen haben, sich selbstorganisiert zu wehren.

3. Offensichtlich geht es Ihnen also für sich und Bündnis 90/ Grüne um einen Profilierungsversuch im beginnenden Wahlkampf. Auch Veranstaltungen wie die “Talkshow mit fechten und linken Jugend¬lichen“ mit dem bezeichnenden Titel “Mit Eisenstangen und Brandbomben“ passen in diese Schiene!
Wir lassen uns vor diesen Karren nicht spannen!
Wir werden uns weiterhin gegen den Naziterror wehren. Unsere Solidarität gehört dabei all denen, die durch Faschisten ebenfalls bedroht sind.

Das Straßenplenum der besetzten Häuser Mainzer Straße
Berlin- Friedrichshain, den 11. Juli 1990

Faschistischer Terror auf dem Ostbahnhof gegen AusländerInnen

– aus BesetzerInnen Zeitung, Nr. 00, vom 6. August 1990 –

21.07.90 Samstag
Der Zug Warschau – Paris kommt an. Die Bahnpolizei versucht Polen am Aussteigen zu hindern, mit der Begrün¬dung, sie könnten ja woanders aussteigen. Die Leute drängen aus dem Zug und werden von der BePo vertrieben. Wasserwerfer, Gas, Knüppel werden angewandt, Hunde haben sie außerdem dabei.

24.07.90 Dienstag
10 – 12 Faschos, Nazis (ca. 20 – 25 Jahre) halten sich in der Nähe der Gepäckfächer auf. Eine kleinere Gruppe Bulgaren geht zu den Gepäckfächern. Ein Bulgare wird von einer Bierflasche im Gesicht getroffen, ein Anderer, von den Nazis/ Faschos zusammengeschlagen, die Anderen fliehen. BePo-Einsatz.

27.07.90 Freitag ca. 21.00 Uhr
Bulgaren, Rumänen schlafen im Bahnhof. Sie werden mittels Knüppeleinsatz geräumt und sammeln sich auf dem Parkplatz vor dem Ostbahnhof. BePo rückt an und treibt die Leute auseinander. Tränengaspistolen und Wasserwerfer werden eingesetzt. Es entsteht eine Paniksituation, die Leute werfen ihr Gepäck in die Büsche, Taschen und Pässe verschwinden.

28.07.90 Samstag ca. 20.00 Uhr
Bahnpolizisten stoßen einen Bulgaren die Treppe zu den Gepäckfächern runter. Die Bereitschaftspolizei räumt den Bahnhof. 13 Bulgaren werden verhaftet, mit Handschellen abgeführt. Die BePo’s sind ausgerüstet mit Helmen, Schildern, Knüppeln, Hunden.

29.07.90 Sonntag ca. 14.00 Uhr
Nur Trapos da und ca. 15 Leute die von den Bulgaren wiedererkannt werden, als Nazis, ca. 24.00 Uhr.
Es sind ungefähr 30 Antifaschistinnen auf dem Ostbahnhof, ca. 1.00 Uhr
15 LO’s kommen, die Bulgaren und Rumänen gehen, bevor sie abgeräumt werden können auf den Mauerstreifen. Die Bullen sind in aggressiver Siegerstimmung.

30.07.90 Montag ca. 8.00 oder 9.00 Uhr
Einsatzbullen verjagen die Leute vom Mauerstreifen

Allgemeines:
z.Z., 29.07.90 15.00 Uhr
sind noch ca. 10 Bulgaren in Haft.

Jeden Tag sind auch Faschos auf dem Bahnhof, mit ziemlicher Sicherheit immer die Gleichen.

Der Bulgare mit der Gesichtsverletzung wurde ins Krankenhaus geliefert.
Die BePo’s knüppeln gezielt auf die Köpfe und sind teilweise mit Maschinenpistolen bewaffnet.

Das Rote Kreuz verweigert jegliche Hilfeleitstung (Tablettenausgabe bei Schmerzen)

Ab 1.08.90 tritt eine Visarpflicht für Bulgaren in Kraft, d.h. bis Mittwoch werden’viele Bulgaren am Ostbahnhof
anreisen.

BUNDESWEITE DEMONSTRATION GEGEN NATIONALE EUPHORIE

– aus BesetzerInnen Zeitung Nr. 00, vom 6. August 1990 –

Das Bündnis „Radikale Linke“, das schon die Demonstration „Nie wieder Deutschland“ am 12. Mai in Frankfurt organisiert hat, hat auf seinem Kongress Anfang Juni in Köln beschlossen, zu einer Großdemonstration um den 9. November 1990 herum aufzurufen.
Als möglicher Ort ist Berlin im Gespräch. Auf Einladung der Radikalen Linken Berlin haben sich am 13.7. bis zu 80 Leute getroffen und das Demo- Projekt grundsätzlich befürwortet. Anwesend waren Menschen aus folgenden Spektren: Noch- Grüne, Schon- nicht- mehr Grüne (Ökosozialistlnnen), VSP, KB, PDS, VL, Unabhängiger Frauenverband, PDS-Ini(WB) und zahlreiche Unorganisierte.

In er Diskussion wurden folgende inhaltliche Schwerpunkte für die Demonstration benannt:
– Bezug zum 9. November 1938, an dem der NS-Staat zu seinem mörderischen Angriff auf die jüdische Bevölkerung ansetzte.
– Benennen der faschistischen Kontinuitäten in der BRD (Politik, Justiz, Medizin…) und der Verdrängungsleistung der deutschen Bevölkerung, die ihre Beteiligung am faschistischen* Geschehen geleugnet hat und leugnet, und die die Zerschlagung der national¬sozialistischen Herrschaft bis heute als Niederlage begreift. Die daraus resultierende Teilung Deutschlands wurde stets als ungerechte Bestrafung aufgefasst.
– Der 9. November 1989 wird nun als Tag der Befreiung gefeiert werden und die NS- Geschichte soll endgültig entsorgt werden.
– Der deutsche Imperialismus ist auf allen Ebenen in der Offensive: Zerschlagung und Annektion der DDR, Eroberung der osteuropäischen Märkte, Erringung der Hegemonie innerhalb der EG.
– Verdrängen aller kritischen und linken Ansätze ins gesellschaftliche Abseits als Folge des Zusammenbruchs des realen Sozialismus.
– Antisemitismus ist wieder salonfähig, Rassismus ist integraler Bestandteil deutscher Herrschaft: tägliche physische Angriffe auf Immigrantinnen oder schwarze Deutsche, das neue „Ausländergesetz“, das auf konsequente Ausweisung zielt, Abschottung eines weißen Europas gegen jede Immigration.

Wir laden Euch zum ersten TrägerInnenntreffen für die Demonstration ein:
am: Montag, 6.8.90 um: 19.30 Uhr
im: Türkenzentrum, Schinkestr.8-9,1/44 U-Bahnhof Kottbusser Damm

Neben organisatorischen Fragen soll über oben angerissene Inhalte diskutiert werden. Angesichts der Lage in dieser Stadt erscheint uns über die Demo hinaus eine Aktionswoche/ Kampagne nötig, die möglichst breit getragen ist und sich massiv deutschen Nationalismus und Rassismus entgegenstellt. Im Zentrum müsste auch eine Mobilisierung gegen das „Ausländergesetz“ stehen.

Eingabe des Infoladen Bandito Rosso, an den Magistrat von Berlin (Ost), zum faschistischen Charakter der NA-Tarnorganisation WOSAN

– aus BesetzerInnen Zeitung, Nr. 3, vom 5. September 1990 –

Infoladen Bandito Rosso
Lottumstraße 10a
Berlin 1054

An den Magistrat von Berlin
Stadtrat für Inneres Herrn Thomas Krüger
Berliner Rathaus Jüdenstraße
Berlin 1020

Berlin am 17.08. 1990

Werter Herr Stadtrat Krüger!

In verschiedenen Verlautbarungen haben Sie in den letzten sechs Wochen erklärt, das ,,Problem Weitlingstraße“ ,,durch Gespräche“ und ,,ohne Polizeieinsatz vom Tisch“ bekommen zu wollen. Zum 16. Juli 1990 sollten, nach Ihrer Aussage, die Bewohner der Weitlingstraße 122 das Haus verlassen haben.
Festzustellen bleibt heute: es hat sich nichts getan, Ihren Ankündigungen sind keine wirklichen Handlungen gefolgt. Dieser Umstand sowie Ihre, über die Presse zu verfolgenden offenbaren Schwierigkeiten, die Situation zu differenzieren und sich eine Meinung zu bilden, nötigen uns zu folgenden Fragen.

1. Wie stellen Sie sich zu der Tatsache, daß die Vereinbarung, die der Rat des Stadtbezirkes Lichtenberg mit den Bewohnern der Weitlingstraße getroffen und unterzeichnet hat, von Ihrem Verhandlungspartner, der ,,Initiative für Wohnraumsanierung“ (WOSAN) durch den nichterfolgten Auszug gebrochen worden ist? Welche Konsequenzen wird dieser Vertragsbruch, haben?

2. Wie stellen Sie sich zu dem Umstand, daß das Haus Weitlingstraße 122 de facto kein besetztes Haus ist, sondern den Bewohnern durch den Rat des Stadtbezirks Lichtenberg als Ausweichobjekt für ein ursprünglich besetztes Haus in der Türschmidtstraße übergeben worden ist? Ist diesem Umstand Ihr zögerliches Vorgehen gegenüber den Bewohnern in der Weitlingstraße geschuldet?

3. Ist Ihnen bzw. einer Ihrer Verwaltung nachgeordneter Behörde bekannt, daß WOSAN noch zwei weitere Häuser in Berlin vertritt? Wenn ja, um welche Häuser handelt es sich und wie ist dort die Rechtslage?

4. Ist Ihnen weiterhin bekannt, daß es sich bei WOSAN, um eine Tarnorganisation der ,,Nationalen Alternative“ handelt? Mindestens zwei Gründungsmitglieder der ,Nationalen Alternative“, Heiko Baumert und Ingo Hasselbach (vergleiche Eintragung im Parteienregister beim Präsidium der Volkskammer Reg.nr. 39/90 nebst Anlagen), sind identisch mit zwei Gründungsmitgliedern der WOSAN und haben auch die schon erwähnte Vereinbarung unterzeichnet.

5. Ist Ihnen bekannt, daß sich unter den Mitgliedern der WOSAN mit Protokoll ein gewisser Gottfried Küssel befindet der auch Mitglied der neofaschistischen VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition Österreichs) ist und darüber- hinaus die Funktion eines Organisationsleiters bei der neofaschistischen ,,Deutschen Alternative“ wahrnimmt? Darüber hinaus trägt die Anmeldung der ,,Initiative WOSAN“ beim Vereinsregister des Bezirksgerichtes Berlin die Unterschrift von Oliver Schweigert, der Mitglied der neofaschistischen FAP (Freiheitliche Arbeiterpartei) in West-Berlin ist.

6. Wie stellen Sie sich, bei dieser Sachlage, zu der Tatsache, daß WOSAN e.V. den Status eines gemeinnützigen Vereins beantragt hat?

7. Ist Ihnen bekannt, daß die erwähnte ,,Nationale Alternative“ auf dem Gebiet der DDR den legalistischen Arm der neofaschistischen ,,Deutschen Alternative“ aus der BRD darstellt, für diese agitiert und Mitglieder wirbt?

8. Ist Ihnen bekannt, daß mehrere Bewohner der Weitlingstraße bzw. Mitglieder des WOSAN e.V. bzw. Mitglieder der
,,Nationalen Alternative“ als Delirierte beim ,,Parteitag“ der ,,Deutschen Alternative“ in Cottbus anwesend waren’ (Vergleiche Filmausnahmen in der ARD-Fernsehsendung ,,Deutschland erwache – Die Wiedervereinigung der Neo-Nazis» vom 9.8.1990, 20 Uhr 15)

Angesichts der in unseren Fragen geschilderten Sachverhalte möchten wir von Ihnen, Herr Stadtrat Krüger, wissen, was si4 in den nächsten Wochen und Monaten gegenüber dem ,,Problem Weitlingstraße“ unternehmen wollen und wie Sie sich zu der Tatsache des sich generell verstärkenden Auftretens neofa¬schistischer, profaschistischer und rechtsradikaler Gruppen ihren Vernetzungen untereinander sowie ihren militanten ‚ sowohl als auch politischen Aktivitäten verhalten wollen.
Wir bitten Sie, dieses Schreiben als Eingabe gemäß der (nach wie vor gültigen) Eingabenordnung der DDR zu behandeln.

Hochachtungsvoll
Infoladen Bandito Rosso

Naziangriff & Saufen mit Nazis? Ein öffentlicher Diskurs zwischen besetzten Häusern.

– aus der BesetzerInnen Zeitung Nr. 1, vom 22. August 1990 –

Pfarrstraße: Wir haben die Schnauze voll!

BesetzerInnenZeitung, Nr. 1 vom 22.08.1990
BesetzerInnenZeitung, Nr. 1 vom 22.08.1990

Die Pfarrstraße ist uns allen ja seit längerem bekannt durch eine Vielzahl von Schoten, die sie sich bisher dort geleistet haben (Magistratsauftritt, Einzelverhandlungsbereitschaft, Kommunikation mit Faschos). Für uns und hoffentlich für alle ist klar, dass es weder Einzelverhandlungen, noch Kommunikation mit Faschos (saufen, Nichtangriffspakte) geben darf, weil es einem linken Selbstverständnis widerspricht und das Häuserbündnis gefährdet.

Für alle, die es noch nicht wissen: Es ist auch möglich, direkt aus der Pfarrstraße und nicht aus der Weitlingstraße angegriffen zu werden.

Angriff auf die Jessner Straße 41
Mittwoch (15.8.90), 1.00 Uhr nachts, wurde das Jessica-Proll-Haus von 6 Faschos mit Leuchtspurmunition angegriffen. Als wir begannen uns zu verteidigen, flüchteten die Faschos über den Traveplatz.
Wir nahmen die Verfolgung mit dem Auto auf, konnten sie aber nicht mehr finden und fuhren direkt in die Mainzer Straße. Anschließend begaben wir uns auf den Weg in die Pfarrstraße, um die Leute dort zu warnen. Dort bot sich uns ein entsetzliches Bild. Vor der Kneipe sahen wir 2 Bier in ihren hohlen Kopf schüttende Faschos und gingen zur Theke, um zu erzählen, was abgegangen ist. Dort erfuhren wir, dass an diesem Tag ein Treffen mit Lichtenberger Faschos, Besetzern (natürlich aus der Pfarrstraße) und Leuten vom Bezirksamt statt¬gefunden hat. Sämtliche Anwesenden betonten, wie wichtig es sei, mit Faschos zu labern und gingen auf den Angriff gar nicht ein. Außerdem sagte man uns, dass eine halbe Stunde vorher 6 Faschos aus der Pfarrstraße Richtung Friedrichshain gezogen sind. Offensichtlich hält man es in der Pfarrstraße nicht einmal für nötig, verbündete Häuser zu warnen! Die Jessner 41 ist ein abseitsstehendes Haus und leider nur etwa 4oo Meter von der Pfarrstraße entfernt, soweit, wie zum nächsten befreundeten besetzten Haus. Uns reicht´s!!! Wir fühlen uns von der Pfarrstraße bedroht! Wäre es nicht besser, wenn sie ein Bündnis mit der ihnen politisch anscheinend näherstehenden Weitlingstraße schließen?!

Entschließt Euch endlich!!!
KEIN FUßBREIT DEM FASCHISMUS
gez.: einige BesetzerInnen der Jessner Straße 41

– aus der BesetzerInnen Zeitung Nr. 3, vom 5. September 1990 –

Stellungnahme der Pfarrstraße zu dem Artikel der Jessenerstrasse in der BesetzerInnenZeitung Nr. 1 vom 22. August 1990

BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90
BesetzerInnenZeitung Nr. 3/90

Zuallererst: Dass ihr nach dem Fascho-Angriff total sauer ward ist völlig
klar, da gibt’s nichts zu entschuldigen. Dass Leute mit den Faschos sitzen ge¬blieben sind, nachdem klar war, dass die Jessner angegriffen worden ist, ist nur peinlich sonst nichts. Danach ist sehr viel Selbstkritik geübt worden und inzwischen ist wohl auch der/dem Letzten klar, dass sowohl die Gespräche mit den Faschos, als auch die fehlende Solidarität absolut daneben waren, so etwas wird nicht mehr vorkommen.

Ein paar Anmerkungen dazu, wie es gekommen ist.
In der Pfarrstraße sind fünf Häuser besetzt. Dies bedeutet ein Haufen unterschiedlicher Leute mit der gleichen Menge an unterschiedlichen Meinungen.
Viele von uns haben/hatten keine politische Erfahrung – Hausbesetzungen eingeschlossen.

Wir sind aufgrund unserer „besonderen“ geographischen Loge von Anfang an sehr stark mit der Fascho-Problematik konfrontiert worden und leider ist es hier in Lichtenberg, als nächste Nachbarn einer Fascho- Hochburg ein wenig einsam. Von der vielbeschworenen Solidarität haben wir bisher nicht viel ge¬merkt. Das hat bei uns sicher nicht zu dem Gefühl beigetragen, sich auf andere Häuser verlassen zu können.

All dies hat zu der Illusion geführt, durch Gespräche etwas erreichen zu können. Es war eine Illusion – das haben wir gelernt und das müsst ihr auch jetzt akzeptieren.

Ähnlich verhält es sich mit der Position der Pfarrstraße zu gemeinsamen Verhandlungen und zu dem B-Rat. Es gab sehr kontroverse Meinungen und anfangs war es schwer zu sagen, welche Position die Pfarrstraße einnehmen würde. Die Widerstände gegen gemeinsame Verhandlungen resultierten hauptsächlich daraus, dass viele Leute schlecht oder gar nicht informiert waren. Dies hat sich geändert nachdem einige aus der Straße vehemente Aufklärungsarbeit geleistet haben, in den Gremien mitarbeiten etc. Im letzten Straßengremium gab es keine Stimme mehr gegen den B-Rat und das Verhandlungsgremium.

Dies wäre schneller gegangen, wenn Leute wie Ihr, die ihr schon wesentlich länger in euern Häusern seid, mal vorbeigekommen wären und euch informiert hättet. Warum seid Ihr nicht vor dem Artikel zu uns gekommen um zu erfahren was zum Henker hier los ist?
Vielleicht wäre uns dann der ganze Stress erspart geblieben. Mit euren verbalen Gummiknüppeln erzeugt Ihr nur mehr Missverständnisse und Vorurteile und drängt Leute in eine ganz bestimmte Ecke, anstatt zu informieren und Erfahrungen weiterzugeben.
Allein mit „linkem Selbstverständnis“ kommen wir nicht weiter, da müsst Ihr uns erst einmal erklären was das sein soll. Mit Informieren, guten Argumenten und Unterstützung können wir hingegen sehr viel anfangen.

Die Pfarrstraße

Scheißaktion am REP Stand!!!

– aus BesetzerInnen Zeitung , Nr. 2, vom 29. August 1990 –

Worum geht es überhaupt?

Am 18.08. bauten die REPs an der Frankfurter Allee, neben dem gleichnami¬gen U-Bahnausgang, einen Infostand auf. Es war klar, dass wir das nicht einfach hinnehmen konnten, vor allem weil der Standort (nähe Mainzer) als Provokation angesehen wurde. Genaueres war nicht bekannt, die einzige Information war ein Artikel im „Neuen Deutschland“. Viel Zeit, etwas auf die Beine zu stellen, war auch nicht. Es gab ein Vorbereitungstreffen, am Tag davor, bei dem beschlossen wurde, die Bürgerinnen aufzuklären (Flugis und Gespräch) und den Infostand zu blockieren (Kette, Mülleimer, Tomaten, …). Nach dem Treffen wurden vorhandene Flugis eingesammelt, weil keine Zeit war, ein neues zu produzieren.

Was passierte dann?

Was dann am Samstagmorgen gegen halb zehn ablief, war die reinste Scheiße! Wie sich durch Meldefahrzeuge herausstellte, bestand der Infostand aus vier REPs mit Auto und einem Sonnenschirm. Ein paar Idiotinnen liefen – sich schon mit Tüchern maskierend – die Treppe von der U-Bahn nach oben, rannten eine Omi um, die sie nicht weiter beachteten, stürzten sich auf den Sonnen¬schirm, warfen REP-Flugis durch die Gegend, verprügelten Leute die wohl wie „Feinde“ aussahen und demolierten sicherheitshalber noch ein in der Nähe stehendes Auto und rannten dann weiter um angebliche Faschos aufzumischen. Nach wenigen Minuten waren die ersten Bullensirenen zu vernehmen und Flucht war angesagt. Das Ganze wurde holographiert und von der „Aktuellen Kamera“ auf Video gebannt.
Na prima!

Das ist nicht nur Fascho-Stil, unüberlegt, nur-provozierend und gegen jede vorherige Abmachung (wo waren die Recken denn bei der Vorbesprechung?), sondern damit wurden die restlichen Leute vor vollendete Tatsachen ge¬stellt: Keine BürgerInnenaufklärung, die Vorbereitung für die Katz, Schlag¬zeilen für die Presse.
Damit wurde das Gegenteil vom Gewollten erreicht. Die Leute sahen prügelnde schwarze Gestalten und geprügelte REPs, womit schon klar ist, wer die Öffentlichkeit auf seiner Seite hat. Ein paar IDIOTEN, die eben mal Lust auf Faschos klatschen hatten, haben die ruhigere Mehrheit in die Scheiße geritten.

Weiter so!
Das ist Gewalt von innen gegen die Ziele der BesetzerInnen! Solche Aktionen machen mehr kaputt als sie einbringen (nämlich ein bisschen Spaß für Schlägertypen). Wir sollten uns überlegen, was dagegen zu tun ist.

Einige Leute aus der Riga 84

LESERBRIEF ZUR AKTION AM SAMSTAG 18.08.9o
Keine Chance den REP’s. Auf der Suche nach dem Konsens!
PANNEAKTION!? —– – – – Versuch einer Darstellung und Kritik irgendeines Autonomen.

Samstagmorgen 8 Uhr Ortszeit. Treffen von fast allen Menschen die beim Vorbereitungstreffen waren. Die haben da (Hauptkritik) kein EA auf die Reihe gekriegt. War auch niemand da der hätte ein Auto organisieren können (Fahrwache). , .

Irgendwann gegen halb zehn die Meldung das REP’s an S – Bahn¬hof Frankfurter Allee, ihren Volksfeindlichen Propaganda¬stand aufbauen. Sichtbar circa 5 – 10 Monster. Konsens beim Vorbereitungstreffen, Flugis verteilen, blockieren des Standes, den BürgerInnen Müllsäcke entgegenhalten für Flugis von Reps, wenn Flugis von uns Alle, Tomaten für Alle, Zerstörung des Standes… – Wiedersehn

1o Uhr Ortszeit (circa) Ankunft von circa 10 Leuten von uns, (Fahrradfahrer deshalb schneller) beim Klassenfeind.
Kamera ab. Fernsehteam von AK. 3 Heinzen der REP-s mit Fotoappa¬raten. Der Ton läuft. Wir sind alle unvermummt. Zwecks Konsens bla bla ………….
In nähere Umgebung tauchen immer mehr Faschos auf, die sich etwas weiter abseits halten, da zu radikal (Für Demokratenreps) die Stimmung und Stake steigt. Verstärkung aus der U-Bahn. Vermummte rennen Richtung Stand. Irgendein Typ macht die Leute an, wegen Vermummung (Vorbereitungstreffen Konsens bla bla). Kamera läuft. Die ersten Schweine kriegen auf die Fresse. Ne alte Oma wird umge-rissen. Mensch hilft ihr auf, dann weiter die Klassenfeinde. Es wird grad das Auto von den Heinzen platt gemacht, als die ersten Bullen in Westausstattung auftauchten. Rufe wieder den gemeinsamen Rückzug anzutreten. Vermummte und Unvermummt. Einer brüllte da sind Faschos oben auf den Bahnhof. Viele brüllen Quatsch, gemeinsam abhauen (wozu auch noch total gut Zeit war) hier lang nicht im Bahnhof rein (Falle). Spaltung …. den Rest kennt Ihr ja. Siehe Gedächtnisprotokoll der Verhafteten).

Nachbereitungstreffen, wütende Diskussion ob eines genannten Fehlverhaltens aller, viele einzelner, einiger …

Mir ist klar, dass dieser Text einseitig ist, nicht alles enthält was abging und wohl in erster Linie keinen Zeitungsmäßigen Stil hat. Betrachtet ihn als Leserbrief. Da ich noch nie einen Artikel von mir veröffentlicht habe.
Wäre geil, wenn inna nächsten BZ sich jemand äußert. Bis denne …

aus PROTOKOLL…
… vom letzten Friedelhainer Häuserrat am 19.8.90

5) Diskussion über das letzte Wochenende – Psychos, REP-Stand-Aktion … allgemein wurde kritisiert, dass sich Leute nicht an Absprachen gehalten haben bzw. die Absprachen schlecht vermittelt wurden und dadurch die eigenen Leute gefährdet bzw. festgenommen wurden, von der mangelhaften politischen Vermittelbarkeit von zusammengetretenen Rentnern ganz abgesehen… weiter ging es um das Mackerverhalten einiger bestimmter Typen, die sich im Eifer des Gefechts anscheinend auch nicht mehr so ganz unter Kontrolle hatten (z.B. Freitagabend in der Kreutziger) und wie denn mit solchen Leuten oder solchen Vorfällen umgegangen werden kann – Diskussion unter uns führen, öffentliche Diskussion, was tun im konkreten Augenblick? Im Zusammenhang mit den Festnahmen ging es auch um Aussageverhalten, Aufklärung über Bullentaktiken und rechtliche Situation ist wohl gerade bei jüngeren Leuten nötig, auch wenn es vielen von uns selbstverständlich vorkommt, B. gegen¬über nix zu sagen oder zu unterschreiben oder nicht von der Wache aus im besetzten Zuhause anzurufen. Die meisten Anwesenden fanden, die Bildung einer festen EA-Gruppe, die sich z.B. auch um Kontakte zu Ost-AnwältInnen kümmern könnte, sei überfällig – vielleicht finden sich ja doch einige mal zusammen dafür. Aus dem Häuserrat heraus war eine Initiative dafür jeden¬falls nicht möglich, es wurde noch darauf hingewiesen, dass in der Mainzer Leute daran diskutieren. …