Ausländerhass in der DDR unbekannt

– aus Zeitschrift telegraph, Nr. 13/90, vom 6. August 1990 –

Information des Unabhängigen Kontakttelefons Ostberlin:

Vom 6. bis 8. Juli war ein Antifa-Seminar geplant, an dem sich in Westberlin lebende jugoslawische, türkische, bulgarische, palästinensische und deutsche Jugendliche mit Jugendlichen aus der DDR austauschen wollten.
Das Treffen fand in der Jugendherberge „Kiefert“ in Berlin-Grünau statt. Bereits im Vorfeld sei die Buchung der Herberge schwierig gewesen.

Bereits am Freitagabend wurden die Jugendlichen von ca. 40 Faschisten überfallen. Es gab mehrere Verletzungen, einem Mädchen wurde mit einer Flasche ins Gesicht geschlagen. Der Heimleiter wollte anfänglich die Polizei nicht verständigen (er sei „irritiert gewesen“).
Als diese dann erschien, habe sie der Schlägerei nur zugesehen und auch den ausländischen Jugendlichen einen Begleitschutz verwehrt, berichteten betroffene Jugendliche.
Inzwischen soll der Westberliner Senat eine Strafanzeige wegen Untätigkeit gegen die diensthabenden Volkspolizisten erwägen.

Als sich am folgenden Tag ein Referent beim Heimleiter nach dem Seminar erkundigte, bekam er nur die lakonische Antwort, die Jugendlichen seien wieder abgereist – von den Vorfällen am Vortag erwähnte der Heimleiter nichts.

Wir hoffen anhand von Gedächtnisprotokollen der Betroffenen in den
nächsten Tagen mehr darüber berichten zu können.

Berlin, 9. 7. 90, Unabhängiges Kontakttelefon, g. h.