Cuba libre – Zur Situation kubanischer StudentInnen in der DDR

– aus Zeitschrift telegraph, Nr. 12/90, vom 10. Juli 1990 –

Leipzig, DHfK, Turnhalle, ausländische Studenten
Zentralbild Sturm 29.1.1964 DDR: Über 150 Gäste aus dem Ausland studieren bisher in der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig. Quelle: Wikimedia

Vertreter der kubanischen Botschaft in der DDR machten sich im Mai auf den Weg, um ihren Studentinnen zu erklären, dass der Aufenthalt in der DDR aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich ist. Reisekosten und Stipendienzuschläge könnten nicht in Devisen aufgebracht werden. Das klingt im ersten Moment gar nicht unverständlich. Keiner der ehemaligen Ostblockstaaten hat wie die DDR die Möglichkeit, sich durch einen raschen Währungsumtausch zumindest scheinbar des Devisenproblems zu entledigen. Wenn man allerdings weiß, dass zur gleichen Zeit die kubanischen Studentinnen aus der SU zurückgeholt werden, sind wohl eher politische Gründe zu vermuten.

Wer sich dafür entscheidet, in der DDR zu bleiben, hat zwei Möglichkeiten. Entweder eine Aufenthaltsgenehmigung bei den DDR-Behörden beantragen, was den sofortigen Verlust der kubanischen Staatsbürgerschaft nach sich ziehen würde, oder einen Antrag bei der kubanischen Botschaft stellen. Bestenfalls wird dann ein „Emigranten-Pass“ ausgestellt. Die Angst vor einer endgültigen Ausweisung aus Kuba sowie Repressalien gegenüber Familienangehörigen bleibt. So entschieden sich die meisten doch für eine sofortige Rückkehr in ihr Heimatland. Verständlich, da auch die Situation für alle Ausländer In der DDR noch vollkommen offen ist. Verbale Unterstützungszusagen von Hochschulen und Polizei haben nicht viel zu sagen. Wohnraum und Jobs können die auch nicht stellen. Außerdem droht die übernähme der westdeutschen Ausländergesetzgebung.

Verhandlungen zwischen den Regierungen Kubas und der DDR stehen noch aus. Bei den mit Mozambique, Vietnam und Angola geführten könnte zumindest sichergestellt werden, dass die abgeschlossenen Verträge nicht gekündigt werden.

Klar scheint auch zu sein, dass Menschen aus arabischen Ländern keine Aufenthaltsgenehmigung mehr erteilt wird. Grund – unklar. Sollte hier fleißig mit am dringend notwendigen neuen Feindbild gebastelt werden? ts.

Ausländerfeindlichkeit und Rassismus

– aus INKOTA-BRIEF Nr. 11/90 und Zeitschrift telegraph, Nr. 12, vom 10. Juli 1990 –

Die Ereignisse der letzten Tage hier in Hoyerswerda veranlassen mich, Ihnen zuschreiben.

Schon vor 2 Wochen musste ich im Omnibus von Spremberg nach Hoyerswerda Rassenhass erleben. Ein Mocambiquaner wurde von einem deutschen Jungen Mann, der sich neben Ihn setzte, diskriminiert und beleidigt. Als er sich das verbot, wurde der Deutsche Immer ausfälliger. Ich stellte sin zur Rede, wie ein so Junger Kerl ein Rassist sein könne. „Ich hasse keine Ausländer, doch ich hasse Auslinder, einer hat einer schwangeren Frau den Bauch aufgeschlitzt“. Zum Glück stieg der Mann an der 1. Haltestelle aus.

In Hoyerswerda lief der Mocambiquaner einige Meter vor mir und bog dann in einen unbeleuchteten Weg ein. In den Moment blieben 3 junge Burschen, die auch in dem Bus waren, wie auf Kommando stehen und ich hörte einen sagen: „Hast du ein Tuch?“ Worauf einer sein Tuch vom Hals nahm und die drei den Mocambiquaner verfolgten. Ich konnte diesen durch Zuruf warnen, so dass er nicht von hinten überfalten werden konnte. Er stellte sich den Dreien, sie nahmen Abstand von einem Angriff.

Am 1. Mai erlebte ich mit, wie gegen 19.00-19.30 Uhr bis zum Dunkelwerden eine große Gruppe Jugendlicher das Wohnheim der Mocambi­quaner und Vietnamesen (großes Wohnhochhaus mit ca. 8 Aufgängen -1 Aufgang Wohnunterkunft) angriffen … Sie standen in breiter Front diesem gegenüber, getrennt durch eine breite Hauptverkehrsstraße und warfen mit Steinen und betonbrocken. Es wurden Fensterscheiben eingeworfen.

Polizei und ein deutscher Mann – diesen einen konnte ich sehen, bemühten sich, die aufgebrachten Ausländer nicht durch den Durchgang des Hauses zu lassen.

An den beiden Vortagen waren schon Ähnliche Unruhen zu ver­zeichnen. Wie ich hörte, wurden diese ausgelöst, als 2 Mocambiquaner auf den Rummel wollten. Sie wurden mit den Worten „der ist nur für Deutsche“ daran gehindert und geprügelt. Fünf ihrer Landsleute, sie wurden durch Mädchen, die ins Wohnheim liefen, informiert, kamen ihnen zu Hilfe. Es war nun eine tätliche Auseinandersetzung zwischen 2 Mocambiquanern und ca. 50 Deutschen.

Diese Vorfalle sind beschämend! Es ist erst wenige Monate her, dass auch oder besonders unsere Jugendlichen auf der Straße Reisefreiheit riefen. Wie denken die sich das? Sie wollen nach Frankreich, Spanien, Griechenland, doch sicher später auch einmal nach Afrika reisen. Sie wollen die Gastlichkeit dieser Völker genießen. Und hier veranstalten sie unwürdige Dinge als Auswirkung ihrer Ausländerfeindlichkeit und ihres Rassenhasses.

Wie ich informiert wurde, gab es seitdem täglich Unruhen vor dem Wohnheim.

Asylantrag in der BRD kann Abschiebung ins Heimatland bedeuten

– aus Zeitschrift telegraph, Nr. 10/90, vom 31. Mai 1990 –

Erklärung der Ausländerbeauftragten des Berliner Runden Tisches

Seit der Öffnung der Grenzen zwischen der DDR und der BRD haben viele Ausländerinnen, die in der DDR auf der Grundlage von Regierungsabkommen gearbeitet haben, die DDR verlassen und in Westberlin oder in der BRD einen Asylantrag gestellt.

Von einem in der Ausländerarbeit engagierten Rechtsanwalt aus Westberlin haben wir erfahren, was das für Ausländerinnen, die aus der DDR kommen, bedeutet:

1. Der Asylantrag kann gestellt werden.
2. Die Asylsuchenden werden aufgrund von Quotenregelungen auf die Bundesländer verteilt und dort in verschiedenen Städten und Gemeinden untergebracht Sie unterliegen einer Aufenthaltsbeschränkung auf diese Stadt oder Gemeinde, d.h. diese dürfen nicht verlassen werden.
3. Während des Asylverfahrens bis zu einer Dauer von 5 Jahren erhalten die Asylsuchenden keine Arbeitserlaubnis. Sie erhalten Sozialhilfe, teilweise in Form von Sachleistungen. Es besteht der Zwang, in Sammelunterkünften zu leben.
4. Das Asylverfahren endet für diesen Personenkreis in der Regel mit einer Ablehnung, da die Betroffenen aus der DDR kamen und dort als angeworbene ausländische Arbeitskräfte verfolgt waren.
5. Abgelehnte Asylsuchende werden aufgefordert, die BRD zu verlassen. Ihnen droht die Abschiebung in ihre Heimatländer.
6. Die Rückkehr in die DDR ist sehr schwer, da die Heimatregierungen die Asylantragsteller als unerwünschte Personen betrachten, die nicht mehr unter die Vereinbarungen der Regierungsabkommen mit der DDR fallen.

Wir bitten jeden ausländischen Mitbürger, einen solchen Schritt und die damit verbundenen Konsequenzen sehr genau zu durchdenken. Bitte wenden Sie sich an uns, wenn es im Zusammenhang mit Ihrem Aufenthalt oder Ihrer Beschäftigung hier in der DDR Probleme und Fragen gibt Ihre Almuth Berger Ausländerbeauftragte Menschenrecht auf freie Wahl des Wohnsitzes an der DDR-Grenze mit Füssen getreten Während für die Bevölkerung der DDR mittlerweile ganz Europa ohne Visum bereisbar ist, wird das gleiche Recht auf Freizügigkeit mittlerweile den Menschen anderer Länder gesperrt. In den letzten Tagen werden auf Innenminister Diestels Befehl pro Tag hunderte Flüchtlinge aus der Türkei, Rumänien, Bulgarien und Sintis und Romas in der Grenzstadt Bad Schandau aus den Zügen geholt, abgewiesen und in die CSSR abgeschoben. Sie brauchen unsere Solidarität Wir müssen uns schnell etwas einfallen lassen, wie wir den Flüchtlingen bei der freien Wahl ihres Wohn- und Lebensraumes praktisch helfen können. d.t.