– aus der linken DDR-Oppositions-Zeitung Umweltblätter, vom 27. September 1989 –
Internen SED-Informationen zufolge wurden im August in Wolgast 11 Neonazis verhaftet. Sie sind Teil einer Organisation, die den Namen einer SS-Division trug. Die Mitglieder der Gruppe sind zwischen 16 und 38 Jahre alt, darunter angesehene Bürger der Stadt, Lehrer und Beamte. Die neonazistische Gruppe war straff organisiert. Neben Protokollen fanden sich Uniformen und Hieb- und Stichwaffen.
Es gab Schulung und Traditionspflege, letztere in einem Traditionszimmer. Es gab den Versuch einer Kontaktaufnahme zum BRD-Republikaner-Führer Schönhuber einschließlich Treuebekenntnis. Wie es weiter heißt, ist hoch nicht klar, ob der Kopf der neonazistischen Organisation verhaftet werden konnte. Die Untersuchungen dauern an. An eine Information der Öffentlichkeit war nicht gedacht.
Ein Flugblatt einer „Freien Partei der Republik“ in ziemlich ungewöhnlicher Druckqualität (schwarz und rot auf gelbem Papier) tauchte Anfang August in Ostberlin auf und fand eine ungewöhnlich weite Verbreitung. In seinen Forderungen mutet das Flugblatt zunächst liberal an. Es werden freie Wahlen, freie Presse, freie und unabhängige Justiz, freie und offene Grenzen gefordert. Die Freiheit und Unabhängigkeit der baltischen Republiken wird unterstützt. Neben dem Sturz der „kommunistischen Regierung“ und der Begießung aller kommunistischen Denkmäler mit roter Farbe“ wird aber „freie Privatökonomie“ und „Freiheit der und von der Religion“ und „Ein vereinigtes Deutsch¬land mit Berlin als Hauptstadt“ gefordert. Für den 1. und 2. September wird anläßlich des Kriegsbeginns und „einem halben Jahrhundert ohne Freiheit für alle Menschen in Osteuropa“ zu einer „Riesen¬demonstration“ und ab 1. September zum „Totalen Generalstreik bis zum Rücktritt der Regierung“ aufgefordert. Der nationalistische Unterton ist nur sprachlich zu fassen. Manches, etwa die Formel, daß am 1. September 1939 die Unfreiheit für ganz Osteuropa begann, deutet auf eine Rosenbergsche Version der NS-Ideologie. Der Nazi-Ideologie Rosenberg war in einer Diskussion mit Nazi-Skins in Dresden vor einigen Monaten gegenüber Hitler hervorgehoben worden. Rosenberg war ein Gegner des Hitler-Stalin-Pakts und vertrat eine falangistische Ideologie, nämlich das Konzept einer rechten Arbeiterbewegung.
Neueren Angaben zufolge stammt das Flugblatt von einem Einzelnen, der Mitte August beim Flugblattverteilen auf dem Berliner Alexanderplatz festgenarmen wurde. Daß es ein Einzelner war ist aber nach der Druckqualität und der Verbreitung nicht wahrscheinlich.